146 - Der Schatz in der Tiefe
seine Muskeln, drückte den Finger gegen den Abzug des Revolvers und legte den Daumen auf den Kontakt der Lampe. „Jetzt", zischte der Dämonenkiller. Sie glitten unhörbar auseinander, etwa fünf Meter weit. Dann bewegten sie sich, noch immer im Schutz des Schattens, von zwei Seiten auf Seth-Hega-Ib zu. Der Dämon stieß ein katzenartiges Wimmern aus und sprach ein paar fremde Worte.
Noch schien er sie nicht gesehen zu haben.
Charlie, der eben noch davor zurückgeschreckt hatte, auf Raymond Khedoud einen tödlichen Schuß abzugeben, sah den Dämon jetzt von vorn und änderte schlagartig seine Meinung. Mensch und Dämon standen sich gegenüber. Ein Gefühl der Wut packte Charlie, gleichermaßen ein entsetzlicher Schrecken und das Wissen von unüberwindlicher Fremdheit. Das hier war längst nicht mehr Raymond. Lange Schleimfäden lösten sich aus den Winkeln der aufgerissenen Lippen. Weiß schimmerten gekrümmte Reißzähne. Charlie hob die Waffe, zielte und schaltete die Lampe ein.
Im selben Augenblick brandete die Helligkeit des Handscheinwerfers schräg aus der Gegenrichtung. Aus den Läufen der Revolver zuckten lange, gelbliche Stichflammen. Ein Doppelknall dröhnte über die Bucht. Im selben Augenblick verwandelten sich die Geschosse scheinbar in lange glühende Strahlen. Charlies Pyrophoritkugel traf den Dämon in die Brust, das Geschoß aus Dorians Revolver in den Rücken.
„Zurück!" rief Dorian Hunter scharf.
Roquette hatte sich beim Dröhnen der Schüsse aus der Erstarrung gelöst und rannte auf das Mittelteil der Bucht zu, auf die Treppen und den Weg. Charlie Arthold richtete zitternd den Lichtstrahl auf das Monstrum und nahm weitere Einzelheiten in sich auf, ohne sie jetzt schon zu begreifen. An der Stelle, wo sein Geschoß in den aufgedunsenen, muskelstarrenden Körper eingeschlagen hatte, breitete sich in rasender Schnelligkeit eine Art Glutkreis aus. Der Dämon schwankte und taumelte, seine Arme wirbelten rasend schnell durch die Luft. Der Körper zerfiel von zwei Stellen aus zu glühender Asche.
Dorian spurtete heran und packte Charlies Hand mit der Lampe. Er schaltete sie aus und rief unterdrückt: „Schnell weg, Charlie. Die Penner wachen auf."
Charlie riß sich zusammen und folgte Dorian. Sie verschwanden in der Finsternis unter den Schirmwipfeln der Pinien. Dreimal drehte sich Charlie herum und warf einen langen Blick auf Seth-Hega-Ib. Noch immer stand der Dämon auf seinen langen Beinen, aber die Umrisse änderten sich. Sie rieselten als glühende Asche zu Boden. Als Charlie hinter Roquette und Dorian die Stufen hinaufhastete, blieb er am obersten Punkt stehen und blickte hinunter auf den Strand.
Dort wirkte die zersetzende Kraft des Silbers und des Feuers. Nur noch ein kleines Häufchen, das einer Pyramide glich, schmorte und glimmte im Sand.
Sie rannten, bis sie den Eingang zum Schloßhof und die feste Straße erreichten. Dann gingen sie langsamer, aber schweigend und keuchend, hinunter zum Hafen.
„Jetzt glaube ich euch alles", brachte Charlie heraus. „Das war… teuflisch. Abwegig."
„Es ist die Wahrheit. Aber zu deinem Trost", belehrte ihn Dorian, der ihm aufmunternd auf die Schulter schlug, „sind Erlebnisse wie dieses eben für den normalen Menschen so häufig wie ein Hauptgewinn im Lotto."
„Auf solche Hauptgewinne kann ich verzichten", ächzte Charlie. Jetzt erst spürte er seine zitternden Knie. Dorian und Roquette schienen nicht nur erleichtert, sondern geradezu fröhlich zu sein.
„Damit wir nicht in irgendwelche polizeiliche Untersuchungen hineingezogen werden", schlug Roquette vor, „solltest du so früh wie möglich ablegen. Geht es heute nacht?"
Charlie blickte auf die Leuchtziffern der Uhr.
„In fünf Stunden ist Sonnenaufgang. Dann fahre ich los. Willst du nach Grimaud, Dorian?"
„Was hast du gedacht?"
„Dann ist ja hoffentlich alles in Ordnung."
Charlie sprach nicht mehr viel, bis sie auf der RAYON waren. Er war dabei, dieses Erlebnis und die Informationen, die man ihm gegeben hatte, zu verarbeiten. Er wußte, daß es noch lange dauern würde, bis alle diese Stunden und Tage verarbeitet sein würden. Ein Uhr nachts war es, als sie endlich ihre seltsame Ausrüstung wieder abgelegt und am Tisch im Heck Platz genommen hatten.
Roquette legte ihre Arme um die Schultern von Charlie und Dorian und sagte in ehrlicher Erleichterung: „Meine zwei Helden! Der arme Raymond. Er hätte nicht auf dem Schiff bleiben sollen." „Niemand hat das ahnen
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