1461 - Katakomben des Wahnsinns
»Ich bin nur froh, dass man sich mit deinem Ausweis zufrieden gab.«
»Hast du was anderes erwartet?«
Hohe Decken, breite Flure aus mächtigen Steinquadern. Türen, die in Nischen lagen. Dieser Bau hatte schon seine Geschichte.
»Aber bei der Verabredung mit meinem Kollegen bleibt es – oder?« fragte Bill sicherheitshalber.
»Natürlich.«
Wir wollten uns mit Wesley Thamm treffen. Den Ort kannte ich noch nicht, ich hatte Bill noch nicht danach gefragt.
Wir wussten, dass unsere Ankunft telefonisch angemeldet worden war. Ein Großraumbüro gab es hier nicht. Man saß noch in einzelnen Zimmern. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die meisten Büros mit Verwaltungsbeamten besetzt waren.
Wir mussten nur die Schilder lesen, um zu wissen, wo wir anzuklopfen hatten. Es gab ein Sekretariat, das zu Dannings Büro gehörte, und dort gingen wir hinein.
Drei Frauen saßen hier. Alle trugen Uniform, und nach unserem Anklopfen und Eintreten erhob sich eine der Ladys und schenkte uns ein neutrales Lächeln.
»Sie sind die Besucher aus London?«
»Sieht man das?« fragte Bill.
Für Scherze war sie nicht aufgelegt. Sie zog einen Schmollmund und bewegte sich auf eine Seitentür zu, gegen die sie klopfte, eine Antwort abwartete und uns dann eintreten ließ. Wir gingen auf einen breiten Schreibtisch zu, hinter dem sich ein Mann in dunkler Polizeiuniform erhob und uns mit scharfem Blick musterte.
»Ich bin Clive Danning«, stellte er sich vor.
Mit seiner straffen Haltung hätte er ebenso gut Soldat sein können.
Das kantige Gesicht mit den hohen Wangenknochen, der klare Blick dunkler Augen und das perfekt gescheitelte Haar, das schwarz wie die Schwingen eines Raben war.
Zur Sicherheit holte ich meinen Ausweis hervor, aber Danning winkte ab.
»Den brauche ich nicht zu sehen. Ich habe mich über Sie erkundigt, Mr. Sinclair und weiß jetzt, auf welchem Gebiet Sie sich hervortun.«
»Das erspart mir einige Erklärungen.«
»Schön. Nur wer ist Ihr Begleiter?«
Ich stellte Bill als meinen Freund vor und zugleich als den Menschen, der alles ins Rollen gebracht hatte.
»Ach, rollte der Ball nicht hier los?«
»Das stimmt schon«, sagte Bill. »Wegen verschiedener Vorgänge ist London benachrichtigt worden.«
Danning runzelte die Stirn. »Das ist wohl wahr.« Er schaute mich an. »Ich hörte Ihren Spitznamen, Mr. Sinclair.« Etwas spöttisch fragte er: »Glauben Sie denn, dass wir es hier mit Geistern zu tun haben?«
»Nicht direkt.«
»Oh, das beruhigt mich aber.«
Danach bot er uns Platz an. Es gab da eine Sitzgruppe mit Stühlen.
Zu trinken stand auch etwas bereit, und ein Mineralwasser konnte ich wirklich vertragen.
»Um was geht es Ihnen genau?« fragte er.
»Das wissen Sie, und das ist auch leicht zu erklären. Es geht uns um die verschwundenen Leichen. Zuletzt ist es ein Motorradfahrer gewesen, wenn ich mich nicht täusche.«
»Sie täuschen sich nicht.«
»Hat man ihn inzwischen gefunden?«
»Nein. Leider nicht.«
»Und die anderen?«
»Auch nicht«, gab Danning zu. »Damit sind fünf Menschen nicht wieder aufgetaucht. Und das innerhalb eines recht kurzen Zeitraums. Sie verschwanden auch nicht nur aus Luton, man muss hier den Umkreis mit einbeziehen. Besonders Upper Sundon. Von dort stammte auch der Mann auf dem Motorrad, wie wir ermittelt haben.«
»Interessant.« Ich lächelte ihn an. »Und was haben Sie noch herausgefunden?«
Er senkte den Blick. Das militärische Gehabe hatte er abgelegt. Er wirkte jetzt sehr menschlich. »Ich gebe es nicht gern zu, was Sie bestimmt verstehen werden, aber in diesem Fall muss ich passen. Wir haben keinen der Verschwundenen finden können, und das trotz einer intensiven Suche, wie Sie sich sicherlich vorstellen können. Es ist frustrierend, ich weiß, und ich bin mir auch sicher, dass wir irgendwann eine Spur finden werden, aber damit ist mir nicht geholfen.«
»Da stimme ich Ihnen zu, Mr. Danning.«
»Gut, jetzt sind Sie hier. Darf ich fragen, ob Sie schon eine Idee haben?«
»Noch keine konkrete.«
Er lächelte. »Wäre es anders gewesen, ich hätte mich gewundert. Nur müssen Sie mir glauben, dass wir wirklich alles Menschenmögliche getan haben, um zu einem Ergebnis zu kommen. Es war nichts, meine Herren. Absolut nichts. Keiner konnte uns einen Hinweis geben. Weder die Verwandten noch die Bekannten. Wir konnten nur auf dem Stuhl hocken und die Vermisstenanzeigen durchgehen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe die Verantwortung in diesem Fall, kann nur die
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