1464 - Die Vergessene
besorgt.« Sie zog die Nase hoch.
»Verdammt noch mal, ich will es noch immer nicht glauben.« Mit einer scharfen Drehung verschwand sie aus meinem Blickfeld und ging zurück in ihre Wohnung.
Suko telefonierte inzwischen mit den Kollegen, damit die Leiche abgeholt werden konnte. Es würde nicht lange dauern, und wir wollten nicht vorher verschwinden.
»Wo steckt sie, John? Wo kann sie stecken?«
»Woher soll ich das wissen? Aber wir werden sie wiedersehen. Spätestens am London Eye.«
»Und was ist mit Angie Lee? Sollten wir ihr nicht Bescheid geben, was passiert ist?«
»Ja, das müssen wir wohl. Und ich würde sogar noch weiter gehen. Wir fahren zu ihr und lassen sie einfach nicht mehr aus den Augen, denn ich habe das Gefühl, dass sie das nächste Opfer auf Fatima Orex’ Liste sein könnte.«
»Gut, ruf sie an.«
Die Nummer kannten wir. Ich versuchte es über mein Handy und bekam auch Verbindung.
Es war eine Frau, die sich mit einem »Hallo?« meldete. Leider war es nicht die Stimme unseres Schützlings, und das ließ bei mir eine verdammte Gänsehaut entstehen…
***
Angie Lee machte sich Vorwürfe. Sie hätte es nicht tun sollen, aber sie hatte es doch getan. Die Stimme jenseits der Tür war einfach zu drängend und auch zu drohend geworden, und so hatte sie Fatima in die Wohnung gelassen.
»Geht doch, Angie, vielen Dank.«
Angie Lee ging hinter der Besucherin her, die sich benahm, als würde sie hier wohnen. Lässig warf sie sich in einen der Sessel und streckte die Beine aus.
Angie blieb stehen. »Haben wir uns nicht später am Riesenrad treffen wollen?«
»Ja. Nur habe ich meine Pläne geändert. Ich dachte mir, dass es besser ist, wenn ich zu dir komme.«
»Aber warum?«
»Weil du dann in meiner Reichweite bist. Genau das ist der Grund, Angie.«
»Bitte, was soll das?«
»Setz dich doch. Dann werde ich es dir erklären.«
»Okay, wenn du meinst.« Es kam selten vor, dass die Moderatorin ihre Sicherheit verlor, in diesem Fall war es so. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Die Besucherin schien die Kontrolle übernommen zu haben.
Auch als Angie saß, fühlte sie sich noch wie eine Fremde, und im Gesicht der Frau sah sie dieses überhebliche Lächeln, das man auch als arrogant bezeichnen konnte.
»Ich höre, Fatima.«
»Gut. Das habe ich auch nicht anders erwartet. Ich habe meine bestimmten Pläne, wie du sicherlich weißt. Sonst wäre ich nicht in deine Sendung gekommen.«
»Und wie sehen die Pläne aus?«
»Ich möchte einfach nur überleben.«
Als Angie Lee die Antwort hörte, schüttelte sie den Kopf. »Wie soll ich das denn verstehen?«
»So wie ich es dir gesagt habe.«
»Aber du – du – lebst doch…«
»Sogar schon recht lange.« Wieder lächelte Fatima. »Kannst du dir vorstellen, dass ich schon mehr als zehntausend Jahre alt bin?«
Nach dieser Frage verschlug es Angie die Sprache. Sie wusste nicht mehr, wie sie sagen und wie sie reagieren sollte. Beinahe hätte sie gelacht, doch davon nahm sie Abstand, denn sie wusste, dass die Frage durchaus ernst gemeint war. Aber etwas anderes bedrückte sie noch viel stärker. Sie hatte sich nicht getraut, ihre Besucherin darauf anzusprechen. Genau das tat sie jetzt.
»Du – ähm – hast nur noch ein Ohr!«
»Gut beobachtet.«
»Und du blutest nicht. Wo ist das Ohr? Was ist damit passiert?«
»In mir fließt kein Blut mehr. Aber der Reihe nach. Mein Ohr habe ich bei Rick Portman gelassen.«
»Nein!«
»Doch.«
Angie schlug ihre Hände vor den Mund. Plötzlich trommelte ihr Herzschlag. Sie starrte ihrem Gegenüber ins Gesicht, sie suchte nach dem Hinweis auf eine Lüge, aber sie fand ihn nicht, sah nur den arroganten Ausdruck und das kalte Lächeln.
»Und – und – Rick?«
»Der ist tot.«
Leicht waren die Worte über ihre Lippen geflossen, aber sie trafen Angie wie seelische Messerstiche. Sie beugte sich vor, ihr schwindelte, und das Zimmer tanzte plötzlich vor ihren Augen. Angie konnte es nicht fassen, sie hätte am liebsten laut aufgeschrien, aber da saß diese andere Person in ihrer ganzen Erbarmungslosigkeit vor ihr und schaute sie eisig an.
Angie fing sich für den Moment. Dennoch blieb der Druck auf ihrer Brust bestehen. »Er hat dir nichts getan, verdammt. Rick hat zwar manchmal eine große Klappe gehabt, aber ihn zu töten, dafür gab es keinen Grund.«
»Das zu beurteilen musst du schon mir überlassen«, erklärte Fatima kalt. »Ich musste ihn töten, denn ich merkte, dass die Lebensenergie in mir
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