1469 - Der Köpfer holt sie alle!
zusammenreimen zu können, und sie richtete sich hinter dem Altar auf.
Sie sah den Mörder im Profil.
Er schwenkte seine Waffe und sprach davon, dass von nun an der Tod regierte…
***
Der Unheimliche war umhüllt von einer schneeweißen Kutte. Mit beiden Händen hielt er den Griff eines Schwertes umklammert, dessen verbogene Klinge nach oben ragte. Sie hatte einen skelettierten Schädel durchbohrt, der ein Stück unterhalb der Spitze festklemmte.
Neben der so plötzlich erschienenen Gestalt stand ein Pferd. Ein Schimmel, dessen bleiches Fell perfekt zu dem Kuttenträger passte.
»Unmöglich«, flüsterte Suko mir zu.
Ich grinste schief. »Haben wir das Wort nicht aus unserem Sprachschatz streichen wollen?«
»Schon, aber…«
»Das ist kein Irrtum. Unser Freund ist echt. Ich verwette meinen Kopf darauf.«
»Und ich gleich mit.«
Es hatte nicht lange gedauert, bis wir uns von der Überraschung erholt hatten. Wir wussten noch nicht, weshalb dieser Köpfer erschienen war, aber er musste mit dem Fall zu tun haben, um den wir uns kümmerten. Ein Fall, der nicht mit einem Paukenschlag begonnen hatte, sondern recht harmlos gewesen war, bis wir das Haus der Abels betreten und den toten Brian Abel mit einem Messer in der Kehle entdeckt hatten. Dabei hatten wir keine Zeit, um uns mit diesem Phänomen auseinander zu setzen. Wir mussten unbedingt in die nahe Kirche, wo ein Gedenkgottesdienst für eine junge Frau abgehalten wurde, die vor genau einem halben Jahr von einem Amokläufer so brutal niedergeschossen worden war. [1]
Marietta Abel war tot, aber trotzdem nicht gestorben. Man hatte sie zwar begraben, doch dann war etwas passiert, das fast unbegreiflich war. Ich hatte Besuch von ihr, der Toten, bekommen, und sie hatte mich um Hilfe gebeten. Raniel, ein Engel, der sich der Gerechte nannte, hatte sie zu mir geschickt, weil er darauf vertraute, dass ich ihr half.
Marietta Abel war nicht als normaler Mensch zu mir gekommen.
Zwar sah sie noch aus wie ein Mensch, aber das war sie nicht mehr, denn tatsächlich befand sie sich in einem feinstofflichen Zustand.
Ebenso wie ihr Mörder, den die Hölle nicht hatte haben wollen.
Deshalb war er ebenfalls zurückgekehrt, um das zu erledigen, was noch erledigt werden musste.
Töten!
Und er hatte es schon getan. Der Tote auf der Couch war Brian Abel, Mariettas Bruder. Er und sein Zwilling Tom waren nicht mit in die Kirche gegangen, um an der Gedenkmesse teilzunehmen. Das hatten sie den Eltern überlassen.
Uns war bekannt, dass sich auch der zurückgeschickte Killer Eric Walcott auf den Weg zur Kirche gemacht hatte, um dort ein neues Massaker anzurichten. Wir hatten ebenfalls zur Kirche fahren wollen, um es zu verhindern. Doch nun war diese Gestalt erschienen, die einen grauen Dunst mitgebracht hatte, in deren Zentrum sie stand. Der seltsame Dunst hatte es geschafft, die Umgebung rund um das Haus zu verdunkeln und die Sommerwiese hinter dem Haus verdorrt aussehen zu lassen, als wären das Gras und die bunten Blumen mit einer dünnen Ascheschicht bestreut worden.
Die Kutte hatte eine Kapuze, die über den skelettierten Schädel gezogen war. Sie ließ nur das Gesicht frei, und das sah ebenfalls aus, als würde es aus hellen Knochen bestehen, abgesehen von den roten Augen, die aussahen, als wären ihre Höhlen mit Blut gefüllt.
Hinter uns hörten wir ein heftiges Atmen, verbunden mit einem leisen Stöhnen. Es war Tom Abel. Er hatte mittlerweile den zweiten Schock erlitten. Zuerst die Entdeckung seines ermordeten Bruders und jetzt dieses grausame Bild im Garten. Der Köpfer brauchte nichts zu erklären, seine Pose war Erklärung genug.
Wir hatten von einem düsteren Hintergrund gesprochen. Das stimmte nur zum Teil. Die Düsterheit war schon vorhanden, aber in sie eingebunden war ein Bild, das uns nicht wie eine Täuschung vorkam. Wir sahen ein großes, gespenstisch anmutendes Gesicht mit zwei Augen, die völlig leer waren, aber das alles war so unscharf, dass wir es vergessen konnten.
Wichtiger war der Köpfer!
Er stand regungslos neben seinem Schimmel, der sich ebenfalls nicht rührte. Man konnte die beiden als ein Sinnbild für den Tod ansehen. Aber das hier war kein Sinnbild, der Köpfer war echt.
»Warum, John?«
Ich hob die Schultern. Eine andere Antwort konnte ich meinem Freund nicht geben.
»Er sagt dir also nichts?«
»Nein.«
Suko ließ nicht locker. »Er muss eine Bedeutung haben, verdammt noch mal.«
»Das kann schon sein, nur…«, ich zuckte wieder
Weitere Kostenlose Bücher