147 - Panik in Porto
und leuchtete die Landleinen ab und kontrollierte die Lage des Schiffes.
Sie waren so sicher wie in einem geschützten Hafen.
Weit und breit gab es kaum Lichter. Die Sterne waren auf dieser Reise noch nie so deutlich und klar gewesen. Sternschnuppen aus den Weiten des Universums zuckten verglühend über den Himmel. Fische sprangen aus dem Wasser, Insekten summten, und ab und zu hörte man das Klingeln eines Glöckchens, das die halbwilden Kletterziegen um den Hals trugen.
Am Nachmittag des nächsten Tages lagen sie alle schweigend, schlafend und lesend in der Sonne. Ihre Körper glänzten vor Sonnencreme. Irgendwann hob Oliver den Kopf von den Seiten des Taschenbuches, die voller Ölflecken waren. Er schaute das Ufer entlang und hoffte, unter den weiblichen Badenden wenigstens von der Ferne einen wohltuenden Anblick zu erhaschen. Als er die junge Frau sah, zwinkerte er, schließlich stieg er ins Heck und holte den Feldstecher.
„Geahnt habe ich es nicht", murmelte er und winkte, „aber möglich war es immerhin."
Am Ende des Weges, drei Meter über dem Wasser, stand Roquette Boussague am Ufer. Sie winkte zurück. Neben ihren Füßen standen zwei mittelgroße Leinentaschen und ein Kosmetikkoffer.
Oliver drehte sich um und rief: „He, Thomas! Brauchen wir einen blinden Passagier?"
Thomas hob träge den Kopf, nahm die Sonnenbrille auf die Nase und kam dann zum Heck balanciert. Er blickte durch das Glas und sagte verblüfft:
„Sie ist es. Was will sie von uns? Ausgerechnet hier?"
„Soll ich sie holen?"
„Aber es gibt keinen Platz an Bord. Überdies, weil wir alle scharf auf sie sind, wird sie auch nicht hier schlafen", sagte der Skipper leise. Oliver gab zurück: „Völlig richtig. Aber auf ein Bier kann ich sie einladen."
„Okay. Hole sie."
Oliver kletterte ins Boot, band es los und ruderte ans Ufer. Es war nicht einfach, Gepäckstücke und Passagier in das kleine Boot zu verstauen, aber sie schafften es, ohne ins Wasser zu fallen. Thomas half Roquette an Bord und sagte:
„Qa va, Roquette? Wir freuen uns, aber wir sind überrascht. Was tun Sie hier?"
„Eine lange Geschichte. In ganz Porto gibt's nicht eine einzige leere Badewanne, von einem Zimmer ganz zu schweigen. Kann ich meinen Kram an Bord lassen? Ich schlafe dort im Gebüsch. Vielleicht haben Sie auch eine alte Decke für mich?"
„Es gibt tatsächlich nur vier Betten in der ARCA", sagte Thomas. „Aber das läßt sich später absprechen. Was trinken Sie?"
„Ein Glas Mineralwasser, ja?" „Gern."
Roquette trug ausgebleichte Jeans, ein einfaches weißes Hemd und ausgetretene Leinenschuhe. Sie ließ sich in den knarrenden Liegesessel fallen und streckte stöhnend ihre langen Beine aus.
„Nizza - Ajaccio mit dem Flugzeug", sagte sie und stöhnte. „Und im Bus von Ajaccio nach Porto. Dort der Leidensweg durch alle Pensionen und Hotels."
„Warum sind Sie nicht auf dem Boot von Arthold?"
„Er weiß nicht, daß ich hier bin. Ich bin nicht mehr… mit ihm zusammen", sagte sie. „Aber dann habe ich mich an die ARCA und die vier deutschen Gentlemen erinnert, und, voila, hier bin ich." „Hier sind Sie", pflichtete ihr Oliver bei. „Das Schönste, was das Schiff seit Kiellegung gesehen hat. Willkommen. Wirklich kein einziges Zimmer in Porto und seinen Vorstädten?"
„Keine Chance."
Die Mannschaft versammelte sich im Heck unter dem Sonnensegel. Oliver schaute Roquette schweigend und konzentriert an und dachte bei sich, daß sie vor einigen Tagen in der „Hostellerie Relais des Maures" jünger ausgesehen hatte.
„Haben Sie geschäftlich hier zu tun?" fragte Thomas.
„So könnte man es nennen. Ein paar Tage, denke ich. Wie lange bleibt ihr hier?"
Um das Boot zu finden, hatte sie bestimmt einen keineswegs leichten Weg zurücklegen müssen. Keiner der Männer erinnerte sich, etwas von der Castagna gesagt zu haben. Es sprach für ihre Raffinesse und Ausdauer, daß sie es geschafft hatte.
„Auch ein paar Tage. Können wir Ihnen helfen?"
„Wahrscheinlich nicht. Ich habe so etwas wie geschichtliche Untersuchungen durchzuführen."
„Hier in der Bucht? In Porto?"
„Warum soll ich es euch nicht sagen? Nein. Oben im alten Turm. Auf der Calanche."
„Von hier aus ist es eine lange, vermutlich beschwerliche Kletterei bis dort hinauf', sagte Oliver. Unter seinen prüfenden Blicken schien Roquette ein wenig von ihrer Selbstsicherheit zu verlieren. „Ich werde mir in Porto ein Moped mieten oder einen kleinen Wagen", erklärte sie rasch.
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