147 - Panik in Porto
Blättern, mit Steinbrocken und den verwesten Körpern von Möwen oder anderen Vögeln.
Hier oben stank es trotz des Windes noch mehr als am Fuß des Turmes. Serge breitete die Arme aus und spürte, daß sich etwas unter seinen Sohlen bewegte. Er machte einen großen Schritt und bemühte sich, das ungute Gefühl zu vergessen, das ihn beschlichen hatte.
Als er den anderen Fuß nachgezogen hatte, kippte die große Steinplatte unter ihm weg. Er fiel durch ein eckiges Loch senkrecht nach unten. Die schwere Platte knirschte und krachte. Ein Hagel aus Trümmern schlug auf seinen Kopf und die Schultern. Er landete in einer dunklen, weichen Masse, aber ein rasender Schmerz zuckte durch sein rechtes Bein, bis hinauf zum Knie.
Dröhnend kippte die Platte zurück.
Bevor Serge betäubt zusammenbrach und auf dem Rücken liegenblieb, sah er noch das bißchen schwindende Helligkeit. Und in dem kurzen Augenblick erkannte er glühende Augen, deren Ausdruck ihn mit namenloser Angst erfüllten.
Er schrie auf und verlor das Bewußtsein.
Diesen Schrei hörten die beiden Mädchen. Sie blickten sich ratlos an, dann stieß Yvonne hervor: „Ihm ist etwas passiert. Wir müssen ihn herausholen."
„Ich hab' ja gewußt, daß die Ruine gefährlich ist. Los!"
Sie liefen halb um den Turm herum und rüttelten an der verrosteten Eisentür. Sie riefen Serges Namen, aber aus dem Innern des Turms antwortete ihnen eine Menge seltsamer Geräusche.
Kichern und Pfeifen, menschliche Stimmen, lautes Geschrei und Gekrächze, ein langanhaltendes Zischen, ein dröhnendes Gelächter - alles wild durcheinander und gleichzeitig.
Francine packte schließlich den Riegel, riß das Siegel ab und zog an der Tür. Widerwillig schwang die Tür nach außen. Mit den Schultern warfen sich Yvonne und Francine gegen eine Tür aus rissigem Holz. Sie gab fast augenblicklich nach und öffnete sich scharrend. Die Mädchen stolperten ins stinkende Innere hinein. Das Tageslicht hinter ihrem Rücken strahlte hinein und ließ den ausgestreckten Körper Serges erkennen und…
Yvonne und Francine erstarrten, als sie auch nur einen Teil der Kreaturen sahen, die sich um Serge versammelt hatten. Sie blickten allesamt ins Licht, und sie verhielten sich starr. Ihr Geschrei hatte jäh aufgehört. Sie hielten in ihren Klauen…
Im selben Moment drückte eine unsichtbare Kraft die Holztür zu.
Daß die eiserne Tür vom Wind zugeworfen wurde, merkten die Studentinnen nicht mehr.
Die Dämonenschar fiel über sie her. Zwei Mädchen und ein Mann. Jung! Voller Blut! Und ihnen in der Dunkelheit ausgeliefert.
Zwei Tage später, gegen Mittag, bog die ARCA III, von Norden kommend, in weitem Bogen in die Bucht von Girolata ein.
„Ich habe euch einen der schönsten Liegeplätze versprochen", sagte Thomas und gab den schweren Feldstecher an Oliver weiter, „den ich und viele andere Skipper im Mittelmeer kennen. Dort ist er." „Hier, gleich um die Ecke?" fragte Hans.
„Nein. Dort drüben. Hier, ich zeige es dir auf der Karte."
Die vier Urlauber hatten auf dem Weg von L'Ile Rousse ein halbes dutzendmal haltgemacht und verschwiegene Buchten angelaufen. Meist waren diese Stellen nur vom Meer aus zugänglich und entsprechend leer. Man hatte in der Sonne gelegen und war geschwommen, hatte die eine oder andere Stunde geschlafen oder Musik gehört, und die Stimmung an Bord war kaum mehr steigerungsfähig. Das sprach auch Oliver laut aus, aber Thomas schüttelte seinen schwarzhaarigen Kopf.
„Ihr werdet staunen!"
In den Buchten waren die Wellen stets - oder wenigstens an solchen windarmen Tagen - weitaus niedriger. Die ARCA fuhr auf den nächsten südlichen Festlandsvorsprung zu. Drei Delphine tauchten auf und machten übermütige Sätze.
„Hoffentlich."
Thomas, Oliver und Hans beugten sich über die detaillierte Seekarte und diskutierten den Kurs. Sie fuhren zunächst an der Öffnung der Girolata-Bucht vorbei nach Südost, dann steuerten sie quer über die Porto-Bucht und auf eine seltsame Felsformation am inneren Ende der Calanche zu. Dort sahen sie auf der Karte eine Felsenbucht, an drei Seiten geschlossen und nach Südost offen. Die Zeichen auf der Karte wiesen zufriedenstellenden Ankergrund und einen schmalen, an einem Kai endenden Weg aus.
„Dorthin?"
„Ja. In die Anse de Castagna. Die Karte zeigt ihre wahre Schönheit nicht", erklärte der Skipper. „Kommst du klar, Lutz?"
Lutz steuerte nach Sicht und Kompaß. Sie alle waren mittlerweile beträchtlich braun geworden. Ihre
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