147 - Panik in Porto
daß er irgendwo dort oben ist. Ich sehe ihn ohnehin nicht.
Ein Blick auf die Uhr: drei Uhr dreißig etwa.
Sie nahm einen Schluck aus der Flasche. Noch etwa zwei Stunden bis zu ihrem Angriff. Aber sie konnte die ersten Maßnahmen bereits einleiten, dann hatte sie es später einfach.
Und es ging schneller - was auch immer passierte.
Roquette suchte nach Fugen und Simsen in den unregelmäßigen Steinbrocken. Sie kletterte probeweise bis zum Fenster hinauf, wieder hinunter, dann band sie sich zwei Stück Tau so um die Hüften, daß sie sich ganz einfach sichern konnte.
Wieder kletterte die Frau aufwärts, den Scheinwerfer vor der Brust. Sie machte zwei schnell zu lösende Knoten, mit denen sie sich rechts und links an den rostigen Mauerkrampen festband. Von diesen Eisenankern wurde das Gitter mit den Kreuzen in der Mauer gehalten. Vorsichtig lehnte sich Roquette zurück, bis sich die Taue spannten.
„Sie halten, Vampir!" flüsterte sie und zog den schweren Bolzenschneider vom Boden hoch. Sie leuchtete kurz die erste Stelle an, die sie durchtrennen wollte, merkte sich die Stelle und setzte mit Verrenkungen die kleinen Backen an.
Dies war das schwierigste Stück; nur mit dieser Sicherung die langen Hebel des Werkzeugs zusammenzudrücken. Aber sie schaffte es, dicht vor ihrem Kinn.
Ein hartes, metallisches Schnappen ertönte. Dann war ein Teil des Gitters durchtrennt.
Dreimal wiederholte sie diesen Vorgang, dann war sie schweißüberströmt. Sie richtete den Lichtkegel auf die Teile und sah, daß ein kräftiger Zug genügte, um an den beiden letzten Verankerungen das Gitter nach außen aufzubiegen.
Sie ließ den Bolzenschneider wieder hinunter, löste einen Knoten nach dem anderen und stieg an der Mauer abwärts. Zwei Fingernägel waren zersplittert. Sie versuchte, die Reste mit dem Messer einigermaßen zu kürzen.
Hinter dem Gitter befand sich dickes, aber verwittertes und stellenweise verfaultes Holz.
„Kein wichtiges Hindernis."
Sie dachte plötzlich an Oliver. Es würde gut sein, ihn hierzuhaben. Er würde vielleicht verstehen, was sie tat. Er besaß einen viel skeptischeren Verstand als Charlie, aber er schien das Undenkbare und Unvorstellbare zumindest theoretisch in den Bereich des Möglichen hereinziehen zu können. Wahrscheinlich war es besser, wenn er nicht wußte, was sie unternahm.
Sie stellte sich den schwarzbärtigen Thomas vor, wenn er aufstand, um über Bord zu pinkeln - und wenn er ihr „Bett" leer fand. Sie kicherte leise und erstickte ihr Lachen mit einem weiteren Schluck Rotwein.
Sie nahm das Silberdiadem aus dem Koffer und streifte es über die Schläfen. Noch eine Vorsichtsmaßnahme mehr! Sie stand auf und wanderte einmal hin und her, um die Spannung ein wenig abzubauen. Die unmittelbare Nähe der Dämonen machte Sie halb rasend vor Furcht und Wut. So wie diese Kreaturen unzählige Jahre lang das Leben von Menschen vernichtet hatten, sogen sie auch aus ihr die Energie heraus - Unruhe und schlechte Träume, Anfälle von Lebensangst und Todesfurcht waren die Folgen.
Roquette, die das wiedergeschenkte Leben mit einem freudigen Wirbel der Begeisterung entgegengenommen hatte, stand hier vor archaischen Grenzen. Im Gegensatz zu den natürlichen Abläufen, denen ihr Körper unterworfen war, konnte sie diese Grenzen durchbrechen.
Heute, in den letzten Nachtstunden, mußte sie versuchen, gleichermaßen etwas für ihr Weiterleben zu tun und für die Menschen. Beides war ihr gleich wichtig; den Kampf aber führte sie allein und stellvertretend für die Ahnungslosen.
Die Minuten verstrichen viel zu langsam. Immer wieder blickte Roquette nach Osten, wo sie hinter den Bergen im Innern Korsikas die ersten Zeichen des Morgens erwartete.
Die Sterne begannen zu verblassen. Roquette sortierte wieder ihre Waffen und Werkzeuge. Sie setzte die Flasche ein letztesmal an die Lippen und nahm einen Schluck. In ihrem Magen bildete sich eine harte Kugel. In den Gelenken schienen Ameisen zu krabbeln. Sie holte tief Luft und kletterte wieder hinauf zur Schießscharte. Der Mauerdurchbruch war schätzungsweise siebzig zu fünfzig Zentimeter groß.
Vorsichtig und so leise wie möglich stemmte Roquette das Gitter zur Seite, nachdem sie sich mit einer Seilschleife gesichert hatte. Dann holte sie mit dem Bolzenschneider aus und hämmerte ihn gegen die ausgesplitterten Bretter.
Sie erzeugte dumpfe, laute Geräusche. Holz splitterte, und Holzstaub und Spreißel wirbelten herum. Die Bretter gaben schnell nach,
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