1473 - Sandrines Voodoo Lehre
verdurstende Wasser. Exzessives Trinken nannte man das, und auch zwei Frauen machten mit. Ihre Stimmen glichen manchmal dem Klang von Sirenen.
War eine Flasche leer, wurde sie auf den Boden geworfen und zerplatzte dort zu einem Scherbenpuzzle.
»Na toll«, sagte Dagmar. »Und wo bleiben die Freunde und Helfer in diesem Fall? Das ist doch ruhestörend und…«
»Es gibt hier keinen Polizeiposten.«
»Toll. Noch besser.«
»Das ist nun mal so.«
»Gehen wir einen Bogen?« fragte Dagmar.
»Nein, warum sollten wir? Das ist schon okay, wenn wir über den Platz gehen.« Harry sah nicht ein, den Krawallmachern aus dem Weg zu gehen. Er wunderte sich allerdings darüber, dass kein Anwohner eingriff, und genau das störte ihn.
Sie schlenderten weiter, gingen nicht schneller und auch nicht langsamer als sonst. Dabei beobachtete Harry die Gesellschaft aus dem Augenwinkel, und ihm fiel besonders ein junger Mann mit langen blonden Haaren auf. Er spielte sich als der große Macker auf, obwohl auch er stockbetrunken war und nicht mehr gerade stehen konnte. Er war dabei, sich eines der Mädchen zu schnappen, das eine Weinflasche in der Hand hielt und nur noch lachen, aber kaum mehr sprechen konnte.
»He, du musst trinken, aber nicht das Zeug.« Der Blonde schlug ihr die Weinflasche aus der Hand, und wieder gab es Scherben. Er wollte, dass die junge Frau von seinem Schnaps trank, aber sie wollte das nicht. Als er ihr die Öffnung der Flasche gegen den Mund drücken wollte, riss sie sich los.
»Nein, das trinke ich nicht!«
»Doch!«
»Mir ist übel.«
»Ich mach dich fertig, wenn du nicht trinkst!«
»Hör doch auf!«
Das hörte der Blonde nicht. Die anderen schauten zu. Er aber schnappte sich sein Opfer, und zerrte es an sich heran. Der Stoff ihres Oberteils riss und gab die Brüste frei, was natürlich ein großes Gelächter auslöste.
Nur bei dem Mädchen nicht.
Es kam nicht weg. Der Blonde riss die Kleine mit den schwarzen Haaren zu sich heran. Obwohl er sie nur mir einer Hand festhielt, war sie nicht in der Lage, sich loszureißen.
»Ich werde dich hier durchbumsen, darauf kannst du dich verlassen.«
»Nein, Alain, nicht!«
»Hör auf zu Jammern.« Ein Stoß, und sie kippte zurück, wurde aber von vier Händen abgefangen und festgehalten.
»Super!« lobte Alain. »Das ist genau das, was ich will.«
»Aber ich nicht«, sagte Harry.
»Und ich auch nicht!« pflichtete Dagmar ihm bei.
Bisher waren die beiden nächtlichen Spaziergänger nicht zur Kenntnis genommen oder als harmlos eingestuft worden. Genau das änderte sich in den folgenden Sekunden. Da bewiesen Harry und Dagmar, dass sie nicht nur schlendern, sondern auch schnell gehen konnten, und sie standen plötzlich inmitten der Gruppe.
Der Blonde hatte sie noch nicht gesehen. Er glotzte auf die Brüste der jungen Frau, die jammerte und ihren Kopf von einer Seite zur anderen warf.
»Hör auf mit dem Mist!«
Harry Stahl hatte gesprochen, und erst jetzt, wurde er richtig registriert. Seine Worte hatten die Wirkung eines Bombeneinschlags.
Er hörte noch einen leisen Schrei des Opfers, dann fuhr der Blonde herum, und Harry schaute zum ersten Mal in das verzerrte Gesicht.
Er sah es aus der Nähe, und er erkannte sehr deutlich die wilde Wut in den kalten blauen Augen und den Willen, etwas Schlimmes zu tun.
»Hä? Wer bist du denn?«
»Einer, der es nicht mag, wenn sich Stärkere an Schwächere vergreifen.«
Der Engel streckte den rechten Arm vor, auf dessen Haut eine dunkle Tätowierung zu sehen war.
»He, was bist du denn für eine Tussi? Touristin, wie? Eine dieser scharfen Dinger. Keine Angst, du kommst auch noch dran.«
»Lass das Mädchen jetzt los!« forderte Harry.
Alain lachte. Er winkte seinen Kumpanen zu, die alle hinter ihm standen – und das im wahrsten Sinne des Wortes.
»Den mache ich jetzt fertig, und dann kümmere ich mich um seine Tussi. Da…«
Er machte sich durch sein Nicken selbst Mut und war bereit, Harry Stahl zu Boden zu schlagen…
***
Sandrine hatte zustoßen wollen, aber dann war alles anders gekommen. Plötzlich waren die beiden Touristen erschienen, und die hatten tatsächlich den Mut, sich einzusetzen und sich gegen die Clique zu stellen. Das hätte nicht jeder getan, aber sie fürchteten sich anscheinend nicht. Auch nicht vor dem Engel, der an diesem Abend regelrecht ausgerastet war.
Sie wollte warten. Es konnte sein, dass sie noch einen spannenden Kampf erlebte. Der Mann gehörte zwar nicht mehr zu den Jüngsten,
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