1473 - Sandrines Voodoo Lehre
gelaufen. Die beiden standen dem Blonden am nächsten, der am Boden lag, die Beine angezogen hatte, vor Schmerzen wimmerte und sich krümmte.
Unter seinem Ohr hatte sich eine dunkle Lache gebildet, und das rann auch weiterhin aus ihm hervor.
Der junge Mann musste wahnsinnige Schmerzen haben. Er wusste nicht mehr, was er tat, er war auch nicht ansprechbar, und so schaffte es Harry nicht, ihn zur Seite zu drehen, um sich das Ohr anzuschauen.
Dagmar Hansen reagierte so, wie es sein musste. Sie hielt bereits ihr Handy am Ohr und telefonierte. Sie wählte die Nummer der Rettung und hoffte, dass ein Notarzt nicht erst aus Nizza hochfahren musste.
Das war zum Glück nicht der Fall. Auf halber Strecke gab es eine Ortschaft, in der es ein kleines Krankenhaus gab.
Man versprach Dagmar, den Notarzt so schnell wie möglich zu schicken. Wenn der junge Mann überlebte, würde er für sein gesamtes weiteres Leben einen Schaden am linken Ohr haben. Das Gehör würde nie mehr normal funktionieren.
Auch Dagmar beugte sich jetzt zu Alain hinab. »Gleich wird ein Arzt hier sein. Bitte, halten Sie noch durch.«
Alain sagte nichts. Er wimmerte nur. Dagmar konnte sich vorstellen, dass er sie gar nicht gehört hatte, und als sie sich wieder aufrichtete, war Harry nicht mehr in der Nähe. Sie blickte sich um und sah ihn ein paar Schritte entfernt über den Platz gehen, und er sah aus wie jemand, der etwas suchte.
In der Tat hatte Harry Stahl seinen ersten Schreck rasch überwunden. Er hatte sich seine Gedanken gemacht, und er ahnte, was da passiert war. Am Mittag der tote Garnier, jetzt der verletzte Blonde.
Da gab es jemanden, der seinen Rachefeldzug eiskalt durchzog, und Harry ging davon aus, dass dieser Unbekannte in der Nähe war, weil er alles beobachtet haben musste.
Leider kannte Harry die Richtung nicht, in die er gehen musste. So konnte er sich nur auf sein Glück verlassen, und ob das ausreichte, war wirklich die Frage.
Er entdeckte nichts. Was sich bewegte, passierte in der Mitte des Platzes, die Ränder waren in tintenblaue Dunkelheit getaucht, denn hier gab es keine Laternen, die geleuchtet hätten.
Harry Stahl gab trotzdem nicht auf. Er wollte den Platz umrunden.
Möglicherweise hielt sich der Unbekannte noch in Deckung, denn wegrennen sehen hatte er keinen.
Auch jetzt sah er leider nichts, und das machte ihn wütend. Als er an der Einmündung einer Gasse stehen blieb, glaubte er, hastige Schrittechos zu hören, die sich schnell entfernten. Wenn es stimmte, brachte ihn das trotzdem nicht weiter. Die andere Seite hatte inzwischen einen zu großen Vorsprung.
Und dann fiel Harry doch etwas auf.
Direkt neben ihm erhob sich so etwas wie ein Poller. Es war ein Stein, der Autos daran hinderte, von dieser Seite aus den Platz zu überqueren. Genau auf dem Stein saß etwas.
Eine Puppe!
Klein, handlich, aus Holz gebastelt und eigentlich sehr unfertig.
Harry hob sie an und sah im linken Ohr der Puppe eine dünne Nadel stecken. Auf dem kahlen Kopf klebten einige Haare, die sehr blond waren und durchaus Alain gehören konnten.
Harry schaute sich die Puppe an und nickte. Er sprach den Gedanken wie von allein halblaut aus.
»Voodoo«, flüsterte er. »Ich habe es mir fast gedacht. Ein Rächer, der auf diese Art und Weise seine Zeichen setzt.«
Er wunderte sich nur darüber, dass er die Puppe gefunden hatte.
War es ein Zufall gewesen, oder hatte derjenige, der sich dieses Zaubers bediente, sie bewusst zurückgelassen?
Harry ging davon aus, dass die andere Seite es getan hatte. Der Unbekannte, es konnte auch eine sie sein, fühlte sich eben zu sicher.
Jetzt wollte er zeigen, wozu er in der Lage war.
Harry nahm die Puppe an sich. Sie war so klein, dass sie in seine Jackentasche passte. Mit seinem Fund ging er zurück zu den anderen und war froh, in der Ferne das Heulen einer Sirene zu hören…
***
Jetzt war die Zeit der Erklärungen gekommen. Der Notarzt hatte natürlich Fragen, und Harry konnte nur das sagen, was er gesehen hatte. Er verschwieg auch nicht den Angriff auf ihn und erklärte sehr glaubhaft, dass er mit der Verletzung nichts zu tun hatte.
»Ja, das glaube ich Ihnen, Monsieur. Ich bin auch kein Fachmann, was dieses Gebiet angeht. Ich kann ihm nur eine Spritze geben und für weniger Schmerzen sorgen. Alles andere muss in der Klinik entschieden werden. Ihre Daten habe ich ja.«
»Natürlich.«
»Dann werden Sie sich darauf einstellen müssen, Besuch von der Polizei zu bekommen. Das muss gemeldet
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