1476 - Höllenbilder
ablenken. Ich erscheine vor der Tür, und du kletterst aus dem hinteren Fenster. Ist das ein Angebot?«
»Nein.«
»Du reagierst zu spontan. Ich sehe keine andere Chance. Einer allein hat bessere Möglichkeiten. Du hast zwar auch Blessuren abbekommen, aber du kannst dich schneller bewegen als ich. Mein Knie wird immer dicker, das spüre ich, und ich habe das Gefühl, dass es in der Kniescheibe regelrecht kocht. Deshalb ist es besser, wenn wir es so machen. Wenn einer durchkommt, kann er den anderen retten.«
»Wenn er durchkommt, Elias.«
»Nichts ist ohne Risiko. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen es auf diese Weise durchziehen.«
Jessica sagte zunächst nichts. Sie stand auf und schritt in der Hütte auf und ab. Elias hatte recht. Es war auch für sie nicht leicht, normal zu gehen. Sie spürte ihre Blessuren deutlich. Blaue Flecken, das Ziehen in den Schulter und auch in den Beinen. Da war das Gehen kein Spaß, und das Rennen würde ihr erst recht Probleme bereiten, denn sie musste schnell laufen, sollte es bei ihrem Plan bleiben.
Moore schaute ihr zu. »Und? Wie fühlst du dich? Wie klappt es mit dem Laufen?«
»Nicht besonders gut.«
»Das sehe ich.«
»Aber ich halte durch.« Sie lächelte verkrampft. »Das muss ich, verdammt.«
»Wir beide müssen es.«
»Okay, dann werfe ich mal einen Blick nach draußen. Vielleicht hat sich dort etwas getan. Wenn ich weiß, an welcher Stelle das Skelett lauert, habe ich schon halb gewonnen.«
Insgesamt gab es vier Fenster in der kleinen Hütte. Zwei lagen nach vorn hinaus, also nahe der Tür, die beiden anderen Öffnungen wiesen zur Rückseite.
Jessica ging zuerst zu den Fenstern an der Tür. Es war egal, durch welches sie schaute, der Blickwinkel blieb gleich. Sie sah die Kanus noch immer an derselben Stelle liegen. In ihrer Nähe bewegte sich nichts. Das Pferd mit dem Skelett blieb verschwunden.
Sie drehte sich um. »Die Luft ist rein«, meldete sie.
»Ha, glaubst du das?«
»Nein, nicht wirklich. Ich schaue mal nach, wie es an der Rückseite aussieht.«
»Bestimmt nicht anders.«
Jessica gab keine Antwort. Auch nicht, als sie vor einem der Fenster stehen blieb. Auch hier hatte sie einen freien Blick, und das Pferd mit dem Skelett war nicht zu sehen. Sie hatte auch damit gerechnet, dass möglicherweise der Maler erscheinen würde, um seine grauenhaften Geschöpfe zu begleiten, aber auch das traf nicht zu. Brian Nykill ließ sich nicht blicken. Er hockte wahrscheinlich in seinem Atelier wie die Spinne im Netz.
Und dann sah sie doch noch eine Bewegung. Praktisch im letzten Augenblick, denn sie hatte sich schon abwenden wollen. Sie hatte an der linken Seite etwas entdeckt, ohne zu wissen, was es war.
Die Neugierde hielt sie am Fenster zurück. Sie hörte zwar, dass Elias sie ansprach, aber sie reagierte nicht, weil sie wissen wollte, ob sie sich geirrt hatte oder nicht.
Es war kein Irrtum gewesen.
Jemand bewegte sich in der Nähe der Hütte. Und diese Person sah aus, als wollte sie die Rückseite kontrollieren, um herauszufinden, ob alles in Ordnung war.
Jessicas Augen weiteten sich, als sie eine Frau erkannte, die über den Weg hinter der Hütte schritt.
Irgendwie passte das nicht ins Bild. Was hatte eine Frau allein in dieser Gegend zu suchen? Das erschien ihr irgendwie schon komisch.
Wenn sie das Fenster geöffnet und den Kopf nach draußen gestreckt hätte, dann hätte sie die Person besser erkennen können. Das wagte Jessica nicht, und so wartete sie ab, bis die unbekannte Person ihr Fenster erreicht hatte.
Von der linken Seite her schob sie sich heran, erreichte das Fenster, drehte den Kopf nach rechts und schaute durch die Scheibe.
Das tat auch Jessica von der anderen Seite her.
Sie sah in das Gesicht – und schrie auf!
Es war die zerschnittene und blutige Fratze der Frau aus dem Gemälde!
***
Ich war nach dem Vorfall noch kurz zu Suko gegangen, um ihm Bericht zu erstatten. Mein Freund und Kollege wohnte mit seiner Partnerin Shao nebenan. Sie lag bereits im Bett, während Suko es sich vor der Glotze bequem gemacht hatte.
Suko war überrascht, mich zu sehen, und seine Überraschung steigerte sich noch mehr, als ich ihm erzählte, was mir und Bill passiert war. »Da haben wir ein Problem.«
»Richtig, Suko, das haben wir. Nur werden wir es heute Nacht nicht mehr lösen können. Ich wollte dich nur informieren, wann es morgen weitergeht.«
»Gut, danke. Und du glaubst, dass Bill den Namen des Malers herausfindet?«
»Ich hoffe es
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