1476 - Höllenbilder
Verständnis.
Er schaute ihr entgegen. Das Misstrauen in seinem Innern war nach wie vor vorhanden, und das war auch gut so. Irgendwie hörte er auf sein Gefühl und drehte den Kopf nach links. Dabei schaute er zum Ende der Schlucht, wo diese abflachte und in die Ebene führte.
Dort bewegte sich etwas!
Elias war irritiert. Und was dann passierte, war ein Vorgang, der nur Sekunden dauerte, sodass er nicht sofort begriff, was es zu bedeuten hatte.
Jemand bewegte sich auf sie zu. Er drang in die Schlucht ein. Es hatte zuerst ausgesehen, als würde ein Mann zu Fuß in die Schlucht rennen.
Nein, das war kein Läufer!
Es war ein Reiter!
Der Mann saß tatsächlich auf einem Pferd, und jetzt hörte Elias Moore sogar den Hufschlag.
Er stand noch immer auf demselben Fleck. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Was er sah, schockte ihn zutiefst, denn die Gestalt auf dem Pferderücken war kein Mensch mehr. Ein dunkler Umhang umflatterte den Körper, nur war es ein Körper, der nicht aus Fleisch und Blut bestand, sondern aus bleichen Knochen.
Da endlich riss der Faden, und er wusste jetzt, dass Jessica Black ihm kein Märchen erzählt hatte.
Sie war ein paar Schritte vor der offenen Hüttentür stehen geblieben. Ob sie die Gestalt gesehen hatte, war nicht klar. Sekunden später wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als sie Elias Moores Schrei hörte.
»Zurück ins Haus!« brüllte er. »Schnell! Du musst ins Haus!«
Und dann jagte auch er los!
***
Elias Moore wusste nicht, ob er es schaffen konnte, die Hütte noch rechtzeitig zu erreichen. Von der linken Seite her jagte das Pferd mit dem Skelett darauf auf ihn zu, und er hörte den Huf schlag wie einen immer lauter werdenden Trommelwirbel.
Wenn das Skelett ihn erreichte, war auch Jessica verloren. Ein zweites Mal würde ihr die Flucht nicht gelingen, und dieser Gedanke mobilisierte bei ihm die letzten Reserven.
Er hörte keine Schreie, kein hartes Anfeuern des Tieres, nur diesen verdammten Hufschlag, der immer lauter wurde und als Echo in seinen Ohren trommelte.
Auch Jessica hatte bemerkt, um was es ging. Sie stand aber wie angewachsen da und schien das Grauen nicht begreifen zu können.
Moore hatte auch keine Kraft mehr, sie anzuschreien, er musste noch die letzten Meter hinter sich bringen.
Es war ihm egal, ob er Jessica umwarf, er wollte dem Grauen entkommen, das schon so nah war.
Der letzte Sprung.
Und plötzlich trat Jessica zur Seite. Der Mann nahm es wie verlangsamt wahr, zum Glück jedoch hatte sie sich schnell bewegt, und so war die Tür nicht mehr besetzt.
Elias stolperte und fiel hinein.
Im selben Augenblick jagte die Horrorgestalt auf ihrem verdammten Gaul vorbei. Da war noch der Luftzug zu spüren, der durch die offene Tür in die Hütte fuhr.
Sofort danach rammte Jessica sie zu!
Sie stieß dabei einen Wutschrei aus und drehte sich um. Ihr neuer Beschützer lag am Boden. Es hatte ihn von den Beinen gerissen. Irgendwas musste mit seinem rechten Knie geschehen sein. Er hatte das Bein angezogen und massierte mit einer Hand die getroffene Stelle.
Als er sich aufrichtete, stöhnte er und humpelte zur Seite. Er ließ sich auf die Truhe fallen und massierte weiter sein Knie. Dabei schimpfte er über sich selbst.
»Hör doch auf, Elias. Wichtig ist, dass wir es geschafft haben. Alles andere kannst du vergessen.«
»Ja, vielleicht.« Er ließ die Hände sinken und streckte danach das Bein aus. Er hielt es schräg nach unten, sodass die Hacke den Boden berührte.
»Das war mein Verfolger«, sagte Jessica.
»Ich weiß. Und fast hätte mich das Skelett erwischt. Ich glaube, ich wäre jetzt nicht mehr am Leben.«
»Kann gut sein.« Jessica hob die Schultern. Dabei zeigte sie ein hartes Lächeln. »Sollen wir wetten, dass er zurückkehrt? Er wird es nicht auf sich sitzen lassen, dass er uns nicht erwischt hat.«
»Er wird uns holen wollen?«
»Ich schließe nichts aus.«
Es folgte eine Schweigepause zwischen ihnen. Beide schauten zu Boden, horchten allerdings und achteten darauf, ob sie den Huf schlag hörten.
Das war nicht der Fall. Vor der Hütte blieb es ruhig. Wenn sie überhaupt etwas hörten, dann war es das leise Rauschen des Wassers im Flussbett.
Beiden fehlten weiterhin die Worte. Sie hatten etwas erlebt, das zwar zu beschreiben, aber nicht zu fassen war. Und so starrten sie in Gedanken versunken vor sich hin.
Elias Moore rieb sein Knie. Hin und wieder verzog er dabei den Mund, und Jessica nahm diese Reaktion mit einem besorgten Blick
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