1480 - Endstation Hölle
sich mit dem Jüngsten Gericht, und das zu lesen war nicht immer angenehm.
Ich zog ein Buch hervor. Es war besonders dick und beschäftigte sich mit der Apokalypse des Johannes. Es wurde über die sieben Siegel geschrieben. Verschiedene Autoren gaben verschiedene Interpretationen, die eines gemeinsam hatten. In der Endzeit überlebten nur die Gerechten, nicht die anderen.
Solche Geschichten kannte ich. Das Buch stellte ich wieder zur Seite und nahm ein anderes hoch, das auf dem Schreibtisch lag und in dem ein Lesezeichen steckte.
Ich schlug es an genau der Stelle auf und las etwas über das verzehrende Höllenfeuer, das die Menschen nicht verbrannte, sondern in der ewigen Folter ließ.
Aber es gab auch Hoffnung. Und das hing mit den Heiligen zusammen, die für uns Menschen beteten und flehten. Die sich dem Teufel entgegenstemmten, wie ich an einigen Bildern sah. Dort war der Teufel mal als Schlange abgebildet, die einen Drachenkopf hatte, gegen den der eine oder andere Heilige seine Lanze stieß.
Und immer wieder sah ich die gezeichneten Flammen. Wo sie waren, gab es auch den Teufel.
Die Heiligen also. Sie waren Fultons wahre Vorbilder. Jedenfalls entnahm ich das den Bildern. Und wer sich so stark damit beschäftigte, der hatte sich bestimmt vorgenommen, so zu werden wie sie.
Ob das nun klappte, wollte ich mal dahingestellt sein lassen.
So verschieden die Bilder im Einzelnen auch waren, es gab hier eine Tendenz. Niemals gewann das Böse. Immer waren die Guten die Sieger. Der Himmel siegte über die Hölle. Der Teufel und seine Helfer verloren und das Gute gewann.
Tja, jeder hatte sein Hobby, warum nicht auch Herbert Fulton? Bei ihm allerdings ging ich davon aus, dass es mehr als ein Hobby war.
Hinter dieser Sammlung steckte schon eine wahre Leidenschaft, dass ich mich nur wundern konnte. Herbert Fulton musste an sein Hobby geglaubt haben. Er hatte sich die Welt so vorgestellt, wie sie in den Geschichten und Bildern dargestellt worden war. Da konnte es durchaus sein, dass er sich selbst als einen Heiligen ansah und eben den Spuren dieser Menschen nachgehen wollte.
So etwas gab es. Zumeist waren die Menschen verwirrt und lebten in Nervenkliniken. Es gab auch Männer, die sich für Jesus hielten, oder Frauen, die angaben, Maria, die Mutter Gottes, zu sein. Das alles gab es. Wer sich auskannte, dem brauchte eine Sammlung wie diese nicht suspekt zu sein.
Hinweise auf eine Kutsche, deren Fahrer ein Skelett war, entdeckte ich nicht.
Ich ging zur Seite und warf noch einen Blick in das schmale Regal, das mit Devotionalien gefüllt war.
Ich hatte nichts Schlimmes gefunden. Das musste ich mir immer wieder vor Augen halten. Nur blieb das hier nicht im normalen Rahmen, und ich sah es nicht nur als Hobby an. Es glich schon mehr einer Lebenseinstellung.
Die Tür hatte ich hinter mir offen gelassen, weil ich hören wollte, wenn etwas im Haus passierte. Verdächtige Laute blieben aus, und so verließ ich den Anbau wieder.
Edna Ferguson hörte meine Schritte und verließ die Küche. Sie blieb im Flur wartend stehen.
»Und? Was haben Sie gefunden, John?«
Ich deutete über meine Schulter. »Wenn Sie den Anbau betreten, können Sie den Eindruck bekommen, dass Herbert Fulton ein sehr frommer Mensch ist.«
»Ach ja?«
»Überrascht Sie das?«
»Irgendwie schon. Auf mich hat er nicht unbedingt den Eindruck gemacht. Mir kam er eher vor wie jemand, der über so etwas nicht redete. Er ging auch nicht in die Kirche, abgesehen davon, dass es hier im Ort keine gibt, auch keinen Pfarrer. Messen wurden in einem Versammlungsraum abgehalten. Nur warum war er denn ein frommer Mensch?«
»Darauf deutet seine Sammlung hin. Dieser Anbau ist gefüllt mit Heiligenbildern, die als Poster an den Wänden hängen. Er gibt auch Bücher darüber sowie Andenken wie Kerzen, Seifen, kleine Kommunionsbilder und Figuren.«
»Das verstehe ich nicht.« Edna schaute ins Leere. »Das habe ich nicht gewusst, obwohl ich ihn und seine Frau schon so oft besucht habe. Tut mir leid.«
»Wer kennt die Menschen schon bis in all ihren Einzelheiten?« fragte ich leise.
»Ja. Ich wundere mich nur darüber, dass Hella mir nichts vom Hobby ihres Mannes erzählt hat.«
»Haben Sie denn darüber gesprochen?«
»Nein, das muss ich zugeben. Zwischen uns gab es andere Themen. Über Herbert sprachen wir nicht. Er hat auch nur zu den Essenszeiten bei uns gesessen. Ansonsten hat er sich mit seinem eigenen Kram beschäftigt, wie er immer sagte.« Sie lächelte vor
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