1487 - Die Dämonen-Prinzessin
tastete es ab, als wollte sie Gerrit im Nachhinein noch festhalten.
»Er ist weg«, wiederholte sie tonlos und griff dabei ins Leere.
»Mein Sohn ist weg…«
Ich gab ihr eine Antwort. Zwar klang sie profan, aber mir fiel nichts anderes ein.
»Bitte, Mrs. Quinn, ich weiß, wie Ihnen zumute ist, aber wir werden Ihren Sohn finden und wieder zurückholen.«
»Aber er ist nicht mehr da.«
»Wir werden ihn suchen.«
Sie schien sich mit der Antwort zufrieden zu geben. Nur für wenige Sekunden. Danach brach ein schrilles Gelächter aus ihr hervor.
Sie schüttelte dabei den Kopf, wollte einfach nicht aufhören zu lachen, doch es war ein bitterböses Geräusch. Es sah danach aus, als käme erst jetzt die Reaktion auf das Verschwinden ihres Sohnes, und alles wies darauf hin, dass sie durchdrehen würde.
Ich war schnell bei ihr und zog sie vom Bett in die Höhe. Ihre Beine waren wacklig geworden, sodass ich sie festhalten musste, damit sie nicht zusammensackte.
»Kommen Sie mit.«
Sie fragte nicht nach dem Ziel. Erst als wir in ihrem Wohnzimmer saßen, kam sie wieder zu sich, und ihr Blick wurde klarer. Sie schaute nach vorn, holte tief Luft. Ich gab ihr Wasser zu trinken und hoffte, dass ich ihr einige Fragen stellen konnte, auf die ich auch Antworten erhielt.
»Ich denke, wir sollten über Gerrit reden, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Sie nickte.
»Können Sie mir erklären, wie es dazu gekommen ist, Mrs. Quinn?«
Die Antwort ließ auf sich warten. Sie dachte nach. Überlegte, runzelte die Stirn, strich mit den Händen durch ihr Gesicht und hob immer wieder die Schultern an.
»Es ist alles so schwer, Mr. Sinclair. Ich kann es nicht fassen und ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Das ist kein normales Leben mehr, aber Gerrit hat es nicht anders gewollt.«
»Inwiefern?«
»Er liebte die Prinzessin.«
»Also die Frau, die wir gemeinsam gesehen haben.«
»Ja.«
»Und weiter?«
Lena Quinn hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Es kann auch mein Fehler gewesen sein, weil ich mich nicht genug um den Jungen gekümmert habe. Er war viel allein. Er konnte seinen Interessen nachgehen, und ich habe da passen müssen.«
»Aber er kannte diese seltsame Prinzessin.«
»Das schon«, gab sie zu. »Woher?«
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Frau recht spontan geantwortet.
Das blieb nun aus, denn sie musste nachdenken. Mit leiser Stimme gab sie schließlich zu: »Sie kann gar nicht existieren, denn sie ist…«
»Was ist sie?«
Lena Quinn schluckte. »Ich habe alles durcheinander gebracht. Doch, sie kann existieren, und mir ist auch eingefallen, dass es sie gibt. Ich meine, richtig gibt.«
»Und wo?«
»Hier in London. Sie ist sogar bekannt.«
Allmählich sah ich Land und fragte: »Wie heißt sie denn?«
»Ophelia…«
»Moment«, sagte ich, »das war doch auch der Name dieser seltsamen Prinzessin.«
»Ja, das stimmt. Aber ich weiß nicht, ob die Ophelia, die ich meine, auch die ist, die wir gesehen haben. Obwohl schon eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden ist. Aber ich habe sie leider nur zu kurz gesehen, das kommt noch hinzu.«
Ich horchte auf. »Moment mal, Sie haben sie dann beide gesehen, wenn ich Sie recht verstehe?«
»Ja, so ist es.«
»Können Sie mir das genauer erklären?«
Lena Quinn nickte. Bevor sie sprach, trank sie noch einen Schluck Wasser. Dann fing sie mit leiser Stimme an zu sprechen, und ich erfuhr, dass diese Ophelia durchaus existent war. In der Kinderszene war sie bekannt, denn sie übte den Job als Märchenerzählerin aus.
»So ist das also«, sagte ich.
»Ja, so ist es, Mr. Sinclair. Es gibt diese Ophelia, und sie erzählt den Kindern Geschichten. Gerade in der Zeit vor Weihnachten hat sie einen großen Zulauf. Sie ist ein Profi. Zu ihr kommen nicht nur zwei, drei Kinder, denn sie tritt öffentlich auf. Manchmal in winzigen Theatern, dann wieder in kleinen Sälen, die von der Stadt zur Verfügung gestellt werden. Dort sitzt sie dann auf einem Thron und erzählt den Kindern die Märchen aus aller Herren Länder. Die haben allerdings nicht unbedingt etwas mit dem Weihnachtsfest zu tun. Sie sind einfach nur eine Abwechslung in der vorweihnachtlichen Zeit.«
»Und Gerrit war begeistert?«
»Ja, das können Sie laut sagen. Er hat sich unheimlich gefreut.«
Lena Quinn strich durch ihre Haare. »Ich war einmal mit, daher kenne ich die Frau auch. Ansonsten habe ich meinen Sohn allein zu ihr gelassen, weil ich keine Zeit hatte.«
»Wie oft ist das denn passiert?«
»Zweimal
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