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1490 - Das Rätsel der Leichenvögel

1490 - Das Rätsel der Leichenvögel

Titel: 1490 - Das Rätsel der Leichenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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derartigen Vorgängen konfrontiert zu werden, das hätte sie sich nie im Leben träumen lassen. Und doch war es eine Tatsache, der sie ins Auge sehen musste.
    Ein kalter Schauer nach dem anderen rann über ihren Rücken. Das Begreifen fiel ihr ungeheuer schwer, und sie hörte die Worte ihres Freundes wie aus weiter Ferne.
    »Ich muss etwas tun, Simone.«
    »Was denn?«
    »Ich will zu meinem Vater.«
    »Und dann?«
    »Das weiß ich nicht. Bitte, ich verspüre nur den Drang, zu ihm zu gehen.«
    »Okay, dann geh hin.«
    »Und du? Kommst du mit?« Er schaute ihr in die Augen. Sein Blick war eine einzige Bitte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, diesmal nicht. Es ist dein Vater, deshalb bist du auch verantwortlich. Aber ich bleibe hier stehen und decke dir den Rücken.«
    »Danke…«
    Es kostete ihn schon Überwindung, den ersten Schritt zu gehen und das Gräberfeld zu betreten, aber es ging nicht anders. Er spürte den Druck in sich und musste es einfach tun. Seine Knie zitterten, die Haut auf seinem Gesicht sah grau aus, und als er zwischen den Grabsteinen herging, da hatte er das Gefühl, eine fremde Welt zu betreten.
    Die Steine ragten über seine Hüfte hinweg, und immer wieder schaute er sich um, weil er auf der Suche nach anderen Vögeln war, die sich allerdings nicht zeigten. Die Umgebung blieb ruhig.
    Vor dem Grabstein hielt Elliot an. Er sah den Vogel jetzt aus der Nähe, nahe wie im Treibhaus. Über seinen Rücken rann erneut ein kalter Schauer. Sein Blick flackerte, und Elliot stöhnte auf, als ihm erneut klar wurde, in wessen Augen er schaute.
    Ja, so hatte ihn sein Vater auch immer angesehen. So hart, regelrecht gefühllos. Unter seinen Blicken hatte er sich immer sehr klein gefühlt, und das war auch bei diesem Vogelblick so. Elliot dachte daran, dass sein Verhältnis zum Vater nie perfekt gewesen war oder wie er es sich gewünscht hätte, besonders in den Monaten vor seinem Selbstmord nicht. Da war er einen völlig anderen Weg gegangen, und auf dem schien er sich noch immer zu befinden.
    Das spürte der Sohn. Es gab keine richtige Verbindung, auch wenn es die Augen des Vaters waren.
    Elliot drehte den Kopf. Simone hatte Wort gehalten. Sie stand noch immer auf derselben Stelle. Sie winkte ihm sogar zu, was bei ihr ein wenig verloren wirkte.
    Es war zwar verrückt, aber Elliot verspürte das Bedürfnis, seinen Vater anzusprechen. Möglicherweise war der Vogel sogar in der Lage, ihn zu verstehen. Er war jetzt so weit, dass er alles glaubte.
    »Kannst du mich hören?« Er wunderte sich, wie leicht ihm diese Frage über die Lippen kam.
    Die grüne Saatkrähe hob den Kopf.
    War das ein Zeichen?
    Elliot Wells hatte mit keiner Antwort gerechnet, und so hatte er Probleme damit, eine weitere Frage zu stellen. Das brauchte er auch nicht, denn die Szenerie um ihn und den Friedhof herum veränderte sich. Plötzlich war die Luft erfüllt von bestimmten Geräuschen. Ein wildes Flattern zahlreicher Schwingen, krächzende Laute, die den Flug begleiteten, und er hörte auch den Schrei seiner Freundin.
    Elliot drehte sich um.
    Seine Haltung versteifte sich, als er die Vögel sah, die seine Freundin umflogen. Sie waren so nahe bei ihr, dass der Luftzug der Schwingen ihre Haare hoch wehte und Simone sich gezwungen sah, um sich zu schlagen. Sie duckte sich, sie stieß immer wieder ihre Arme hoch, um sich der Vögel zu erwehren, die sie umflatterten.
    Elliot rannte los. Die Saatkrähe mit den Augen seines Vaters war plötzlich uninteressant für ihn geworden. Jetzt ging es um Simone, der er beistehen wollte.
    Niemand hielt ihn auf, aber andere Vögel schossen auf ihn zu. Sie waren wie kleine grüne Flugzeuge, die auf ihre Feinde niederstießen, um sie zu verletzen oder gar zu töten. So genau wusste er das alles nicht, aber er war froh, dass er Simone erreichte und sie packen konnte.
    Ein Schnabelhieb hatte sie an der Wange erwischt und eine Blutspur hinterlassen.
    Elliot zerrte sie einfach weiter. Er wollte weg von diesem verdammten Ort, und zum Glück verlor Simone nicht die Nerven. Geduckt rannten beide los und mussten immer wieder darauf achten, nicht von tief hängenden Ästen erwischt zu werden.
    Der Weg durch den Wald war frei. Kein Vogel verfolgte sie mehr, aber das merkten sie erst, als sie schon eine Weile gelaufen waren und nun mit keuchenden Atemzügen anhielten.
    Elliot lehnte seine Freundin mit dem Rücken gegen einen Baumstamm.
    »Du bist verletzt.«
    »Ach, Unsinn, das ist nur ein Kratzer.«
    »Die Wunde blutet

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