1491 - Im Schloss der Hexen
abwehren.
Die Tür wurde geschlossen und Tanner stellte die erste Frage.
»Sind Sie in der Lage, mir zuzuhören, Mr. Morton?«
»Ich war es nicht!«
»Darüber möchte ich ja mit Ihnen sprechen. Es ist meine Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden.«
»Ich bin kein Mörder!«
»Okay, dann muss es eine andere Person gewesen sein.«
»Ich habe Linda geliebt, verflucht.«
»Sie waren verheiratet?«
»Natürlich.«
»So natürlich ist das nicht. Sie hätten auch so zusammenleben können, Mr. Morton.«
»Nicht wir.«
»Und Sie haben Ihre Frau so gefunden, wie auch wir sie gesehen haben? Ist das so richtig?«
»Ja, das stimmt.«
»Und weiter?«
»Sie war schon tot, sie war schon tot…« Mehr konnte der Mann nicht sagen, weil er von einem Weinkrampf geschüttelt wurde. Tanner musste warten, bis er sich wieder beruhigt hatte.
»Das werden unsere Experten alles herausfinden. Aber gibt es einen Grund für den Mord an Ihrer Frau? Können Sie sich einen vorstellen? Hatte sie Feinde oder Probleme?«
»Nein, das hatte sie nicht. Niemand würde eine solche Frau doch töten, verdammt!«
»Das stimmt.«
»Und ich erst recht nicht.«
»Aber es gab jemanden, der sie so gehasst hat – oder?«
Morton nickte.
»Und wer ist das?« Tanner schob seinen Hut etwas nach hinten.
»Sie haben beim Hinausgehen aus Ihrer Wohnung von einer Hexe gesprochen, wenn ich mich recht erinnere. Stimmt das, oder könnte ich mich verhört haben?«
David Morton wartete mit seiner Antwort. Er holte einige Male Luft, schluckte jedes Mal und bewegte seine Hände.
»Es stimmt!«
»Und…?«
»Evi ist auch nicht da.«
Tanner war überrascht, als er den Namen hörte. Er war plötzlich ins Spiel gebracht worden, und so fragte er mit leiser Stimme: »Wer ist diese Evi, Mr. Morton?«
»Meine Tochter.«
Den Chiefinspektor durchfuhr ein heißer Schreck, als er die Antwort hörte. Dass der Mann eine Tochter hatte, damit hatte er nicht gerechnet. Er schaute Morton verwundert an und fragte mit leiser Stimme: »Wo ist sie jetzt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wissen Sie auch nicht, wo sie tagsüber gewesen ist?«
»Ich war nicht bei ihr«, flüsterte der Mann tonlos. »Ich habe gearbeitet. Es war die Morgenschicht in einem Schnellimbiss. Heute Abend wäre ich zu einem anderen Job gegangen. Meine Frau und Evi waren allein unterwegs.«
»Wo wollten sie denn hin?«
»Zu einem Märchenmarkt. Etwas für Kinder und Erwachsene. Jetzt vor Weihnachten hat man ihn aufgebaut. Er soll so richtig schön und wunderbar sein…«
»Verstehe«, sagte Tanner. »Zu Märchen gehören nicht nur gute Menschen, sondern auch böse wie Hexen.«
»Ja.«
»Und wie war das bei Ihrer Frau und Ihrer Tochter? Was hatten die genau damit zu tun?«
»Sie gingen auf den Markt. Sie wollten ihren Spaß haben und auch die Hexe besuchen.«
Tanner war jetzt ganz Ohr. »Waren Sie auch mal dort? Haben Sie die Hexe gesehen?«
»Nein, nein, ich nicht. Ich habe nur von ihr gehört. Sie soll nicht nett sein. Die Kinder nennen sie auch eine Zauberin.«
»Hat sie auch einen Namen?«
»Ja, sie heißt Radmilla.«
»Wie bitte?«
»Radmilla«, flüsterte Morton. »Mehr kann ich Ihnen über die Person auch nicht sagen.«
»Nun ja, das Wenige reicht mir schon. Und Sie meinen, dass die böse Hexe Ihre Frau getötet hat?«
Er nickte verkrampft.
»Dann müsste sie ihr ja bis in die Wohnung gefolgt sein, um sie dort zu töten.«
»Sie ist eine Hexe. Sie kann alles, sogar zaubern. Das sagt man jedenfalls von ihr.«
»Die Kinder?«
»Auch die Erwachsenen.«
»Und dort wollte Ihre Tochter hin. Zusammen mit Ihrer Frau.«
»Ja.«
»Ihre Frau ist tot, und wo befindet sich Ihre Tochter?«
Für Tanner war eine Antwort auf diese Frage mehr als wichtig. Er sah sie als Schlüssel zur Aufklärung des Falls an.
David Morton schaute dem Chiefinspektor ins Gesicht. Sein Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck. »Ich weiß es nicht. Ich habe meine tote Frau gefunden, aber ich weiß nicht, wo sich Evi befindet. Tut mir leid. Ich wollte sie suchen…«
Er konnte nicht mehr. Der Mann brach nicht nur äußerlich zusammen, auch innerlich. Sein Kopf sank mit dem Oberkörper nach vorn.
Tanner nahm ihm die Kaffeetasse ab. Mortons Hände waren zwar gefesselt, er presste sie trotzdem gegen sein Gesicht, und er war nicht mehr in der Lage, auch nur ein Wort zu sprechen.
Tanner überlegte. Seine Gedanken schlugen dabei Purzelbäume.
Er wollte sich einen Reim auf die Geschichte machen, was alles andere als
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