1491 - Im Schloss der Hexen
gelassen?« wunderte ich mich.
Evi zog die kleine Nase hoch. Sie wusste nicht so recht, was sie antworten sollte. »Gern hat sie das nicht getan. Sie wollte auch eigentlich nicht mit ihr gehen, aber dann hat Radmilla sie nur angeschaut, und alles ist anders gewesen.«
»Angeschaut?« fragte ich.
»Ja.«
»Und wie ist das genau passiert?«
»Na, meine Mutter drehte sich weg. Sie ging so komisch. Irgendwie anders. Fast wie meine Laufpuppe. Richtig steif, würde ich sagen.« Plötzlich lachte sie. »Und dann verschwanden sie.«
Ich wunderte mich etwas über die Antwort, weil Evi die Tür nicht erwähnt hatte. Deshalb sagte ich: »Sie haben einfach die Tür aufgemacht und sind gegangen?«
»Nein.«
»Bitte?«
Evi drehte sich auf der Stelle. Sie schaute dorthin, wo sich ein Fenster in der Wand abzeichnete.
»Sind sie da durch?«
Evi nickte und sagte: »Radmilla hat von einem Schloss gesprochen, das sie meiner Mutter zeigen wollte, und dann sind die beiden dorthin gegangen.«
Suko und ich schauten uns an. Log das Mädchen, sagte es die Wahrheit? Normalerweise hätte man darüber schmunzeln können, doch in diesem Fall lagen die Dinge anders.
»Aber da ist kein Fenster oder eine Tür.«
»Das weiß ich, John.«
»Und trotzdem sind sie da durch?«
Das Mädchen zeigte wieder sein ungewöhnlich ernstes Nicken.
»Ja, so ist das gewesen, und jetzt warte ich auf Radmilla.«
»Hat sie dir denn versprochen, dass sie zurückkehrt?«
»Hat sie.«
»Und weiter?«
Evi hob die Schultern. »Ich weiß nicht, wann. Aber ich hoffe, nicht so lange warten zu müssen. Sie will mir auch was mitbringen und mich auch in ihr Schloss holen.«
»Wo kann man es denn finden?« fragte Suko.
»Das hat sie nicht gesagt. Aber irgendwo.« Sie lächelte plötzlich.
»Vielleicht in den Wolken.«
»Ja, das kann sein. In den Wolken.« Ich zwinkerte dem Mädchen zu. »Bei Hexen ist alles möglich.«
»Ich habe auch Angst«, gab sie zu. »Als ich hier wartete, war alles so finster.«
Ich streichelte über ihr Haar. »Jetzt sind wir ja bei dir. Da musst du dir keine Sorgen machen.«
»Kennt ihr denn die Hexen?«
»Nicht unbedingt«, gab ich zu und nickte Suko zu. Er verstand und ging auf das Mädchen zu. »Ich denke, dass John sich das Fenster da mal genauer anschauen will.«
»Und dann? Will er meine Mutter und die Hexe sehen?«
»Vielleicht.«
»Das ist doch zu dunkel. Man kann es auch nicht aufstoßen. Ich habe es schon versucht. Da ist nur eine Wand.«
»Warte mal ab.«
Suko hatte Evi Mut gemacht. Ob sich das später als gut herausstellen würde, war die Frage. Jedenfalls wollte ich einen Versuch starten, und ich ging davon aus, dass dieses Fenster durchaus der Weg in eine andere Welt sein konnte. Gewissermaßen ein transzendentales Tor.
Es wäre nicht verwunderlich gewesen für mich, denn ich hatte da meine Erfahrungen sammeln können und selbst schon öfter Reisen in andere Zeiten und Dimensionen gemacht.
Ich musste hinter die Couch gehen, um nahe genug an das Fenster heranzukommen.
Geschlossen.
Nur die Umrahmung war zu sehen. Schwaches Licht, ohne dass es eine sichtbare Quelle gegeben hätte. Mit den bloßen Händen kam ich nicht weiter, denn dieses Tor war für mich magisch verschlossen. Um es zu öffnen, musste ich bestimmte Dinge einsetzen, und einen dieser Öffner trug ich bei mir, das hoffte ich zumindest.
Es war das Kreuz!
Ich spürte seinen leichten Druck vor meiner Brust, aber erwärmt hatte es sich noch nicht. Ich zog es hervor, achtete auf eine Reaktion und musste zugeben, dass nichts, aber auch gar nichts passierte. Das Kreuz blieb völlig kalt.
Aber es hatte noch keinen Kontakt mit dem Fenster gehabt, und darauf setzte ich. Ein magisches Fenster, ein Hexenfenster, das zum Greifen nahe vor mir lag.
Hinter mir hörte ich den heftigen Atem des Mädchens. Auch seine Mutter hatte so vor dem Fenster gestanden, dann aber war sie verschwunden gewesen.
»Ist sie hinein gegangen?« fragte Suko.
»Nein.«
»Was dann?«
»Sie wurde hineingezogen, und die Hexe auch. Beide sind dann weg gewesen.«
Es war eine Antwort, die ich noch mitnahm. Dann tat ich das, was ich mir vorgenommen hatte.
Ich drückte mein Kreuz in die Mitte des Vierecks hinein. Ich hielt es nur am unteren Rand fest und wartete darauf, dass etwas geschah. Im ersten Moment passierte nichts – bis sich das Kreuz plötzlich veränderte. Es glühte auf, aber nicht in einem hellen Licht, wie ich es gewohnt war, sondern in einem tiefen Rot.
Und
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