1491 - Im Schloss der Hexen
dazugehörigen Portobello Road kein Bein an die Erde. Im Winter war es nicht ganz so schlimm, aber durch den aufgestellten Märchenmarkt herrschte dennoch ein großes Gedränge, durch das wir uns schieben mussten. Es waren noch viele Familien mit Kindern unterwegs, die sich an den aufgebauten Märchen erfreuten.
Manche Geschichten waren nur durch leblose Figuren nacherzählt worden. Andere wiederum waren mit lebendigen Menschen besetzt, aber es gab nicht nur die bekannten englischen und deutschen Märchen, sondern auch fremde aus anderen Kulturkreisen.
Und es gab auch solche, die von den Kindern nur mit einer gewissen Skepsis betrachten wurden, denn diese Monsterfiguren hatten nichts Positives an sich.
An eine Hexe wurden wir erinnert, als wir das Märchen von Hansel und Gretel sahen. Aufgebaut war es in einem nach vorn hin offenen Stall, und die böse Hexe war die Hauptperson.
Sie sah wirklich sehr böse aus. Sie hatte einen Buckel, ein schlimmes Gesicht und Augen, die immer wieder rot aufglühten. Einen Arm hielt sie ausgestreckt und die Finger gekrümmt, um die Kinder in ihr Haus zu locken. Zum Glück war die Gestalt künstlich.
»Hat man dir nicht gesagt, wo dieses Hexenhaus steht?« fragte ich meinen Freund.
»Am Rand.«
»An welchem?«
»Wir werden hingehen. Einen haben wir ja schon hinter uns.«
»Ja, ich freue mich.«
Wir passierten das Märchen mit den Sterntalern. Dort stand ein junges Mädchen ganz in Weiß gekleidet und fing immer die künstlichen Geldstücke auf, die in ihre Schürze fielen, die sie mit beiden Händen hielt und entsprechend ausgebreitet hatte.
Die Bars, die kleinen Lokale, die Shops, sie alle hatten nicht geschlossen und waren mit Lichterketten geschmückt. Auch ein Rentier aus Lichterketten sahen wir. Es schwebte wie ein Bewacher hoch über dem Märchenmarkt.
»Wohin?«
Suko deutete mit dem Daumen nach rechts. Da tat sich eine schmalere Nebenstraße auf, in der auch ein paar Buden standen.
Das Licht reichte kaum bis dorthin, sodass die Dächer der kleinen Häuser von tiefen Schatten umgeben waren. »Das könnte es sein.«
»Okay.«
Wir ließen einige Menschen passieren und quetschten uns dann in die Gasse hinein.
Und da sahen wir das Haus.
Hexenhaus, stand dort. Nicht mehr und nicht weniger. Suko nickte und erklärte, dass Tanner ihm genau dieses Haus so deutlich beschrieben hatte.
»Sieht recht verlassen aus.«
Das traf genau zu, denn am und im Haus sah ich keine Lichter. Es gab Fenster, aber sie waren dunkel, und auch die große Tür war geschlossen. Nur die Schrift an der Vorderseite und über der Tür leuchtete etwas heller, aber darum kümmerte sich niemand, denn kein Kind und kein Erwachsener wollte es besuchen. Es hatte einen braunen Anstrich und hatte seinen Hüttencharakter nicht verloren.
Wir hielten vor der Tür an und nahmen sie näher in Augenschein.
Sie war in zwei Hälften geteilt, ohne jedoch offen zu sein. In der oberen Hälfte allerdings war ein Ausschnitt zu sehen. Eine geschlossene Klappe machte uns klar, das kein Besuch erwünscht war.
»Scheint niemand drinnen zu sein«, stellte Suko fest.
»Davon möchte ich mich selbst überzeugen.«
An ein Aufbrechen der Tür hatte ich dabei nicht gedacht. Ich wollte es zunächst mal mit Klopfen versuchen und wartete auf eine Antwort, die allerdings nicht erfolgte. So stand ich da und schaute nur Suko an.
»Leer.«
»Bist du sicher?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Versuch es noch mal.«
Das tat ich auch, und diesmal klopfte ich stärker. Wenn es eine Klinke gegeben hätte, wäre es kein Problem gewesen, die Tür zu öffnen, falls sie nicht verschlossen war, so aber verließ ich mich auf mein zweites und viel lauteres Klopfen.
Was wir kaum zu hoffen gewagt hatten, das geschah wenig später.
Wir hörten eine Kinderstimme.
»Wer ist denn da?«
Beide schraken wir zusammen, und Suko flüsterte: »Verdammt, das muss Evi sein.«
Ich rief den Namen des Mädchens und erhielt auch eine Antwort.
»Wer bist du?«
»Ich heiße John und bin mit meinem Freund gekommen, um dich zu suchen, Evi.«
»Ich bin hier.«
»Allein?«
»Sicher.«
Na ja, so sicher war es nicht.
»Kannst du nicht die Tür öffnen?«
»Da muss ich einen Riegel wegziehen.«
»Das wäre toll.«
»Aber ich soll noch warten.«
»Auf wen denn?«
»Auf die Hexe.«
Suko und ich schauten uns an. Jetzt musste uns bützschnell eine saubere Ausrede einfallen.
Suko war schneller als ich. »Wir glauben nicht, dass die Hexe so schnell
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