1494 - Hexenhölle
wäre nicht schlecht.«
»Nein, den brauche ich nicht.«
»Bist du sicher?«
»Sehr sogar.«
»Okay.«
»Ich lasse mein altes Kleid hier, John. Das habe ich schon alles geregelt. Du musst nur noch zahlen.«
»Sicher«, sagte ich wie ein geplagter Ehemann und stemmte mich in die Höhe.
Es war alles völlig normal um mich herum. Trotzdem empfand ich es als so daneben, dass ich keinen Ausdruck dafür hatte.
Ich ging zur Kasse und bekam die Summe gesagt, die sich noch in Grenzen hielt. Manchmal ist es von Vorteil, wenn man Kreditkarten besitzt, und so bezahlte ich die neuen Klamotten damit.
Die Verkäuferin bedankte sich und wünschte Cosima viel Spaß mit dem neuen Outfit.
Vor dem Laden fragte ich: »Zufrieden?«
»Sehr.«
»Das freut mich. Und wie geht es jetzt weiter? Was hast du dir vorgestellt?«
Sie lachte mich an. »Ich habe Hunger.«
»Das klingt sehr menschlich.«
»Bin ich denn ein Tier?«
»Nein, nein, auf keinen Fall. Du bist ein Mensch, und darüber bin ich froh.«
»Dann lass uns etwas essen.«
So schlecht war der Vorschlag nicht, denn auch ich verspürte in meinem Magen ein Hungergefühl, gegen das man etwas tun musste.
»Was magst du?«
»Eigentlich alles. Es ist mir egal.« Sie hakte sich bei mir ein. »Danke, John, für alles.«
Ich hätte beinahe gelacht. Es sah alles so normal aus, aber es kam mir noch immer unwirklich vor. Mir war, als hätte man mir einen Tritt versetzt und mich in eine andere Wirklichkeit geschleudert. Da war die Normalität zur Verrücktheit geworden.
Für mich stand auch fest, dass Cosima nicht nur erschienen war, um sich von mir neu einkleiden zu lassen und ihren Hunger zu stillen. Der Grund war sicher ein ganz anderer. Sie war gekommen, weil etwas dahinter steckte, das mit ihrer Vergangenheit und möglicherweise auch mit der des Hector de Valois zu tun hatte. Das alles traf zusammen, und ich lauerte darauf, wann Cosima aus ihrer Deckung hervorkam.
Es gab genug kleine Imbisse und auch Lokale in diesem Bereich.
Wir schauten uns um. Die Wahl des Lokals überließ ich meiner neuen Bekannten, die sich alles mit großen Augen anschaute.
Schließlich entschied sie sich für einen Imbiss, der den Namen einer U-Bahn angenommen hatte. Dort gab es frische Sandwichs und auch Baguettes. Man konnte an Stehtischen essen, aber es gab auch drei Tische, an denen man Platz nehmen konnte.
»Hier, John?«
»Bitte, ich habe nichts dagegen.«
»Okay.«
Wir betraten das hell erleuchtete Lokal und gingen durch bis zur Verkaufstheke.
Cosima entschied sich für ein Baguette, das mit Käse belegt war.
»Isst du das auch?«
»Nein, ich nehme ein Sandwich mit Pastete.«
Wir bekamen beides, und Cosima wollte einen Saft trinken, der nach Apfel schmeckte.
Ich entschied mich für Wasser, obwohl mir ein doppelter Whisky nach dem Schreck gut getan hätte. Aber davon nahm ich Abstand.
Wir setzten uns an den noch freien Tisch. An den beiden anderen hockten junge Leute zusammen, die über ihre nächste Fete sprachen und keinen Blick für die anderen Gäste hatten.
Wir aßen und sprachen nicht. Hin und wieder warf mir Cosima einen Blick zu und lächelte mit geschlossenem Mund. Als sie fast alles gegessen hatte, legte sie den Rest auf den Teller und schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht mehr.«
»Gut, ich auch nicht.«
Sie schaute mich an. »Ich bin dir zu normal – oder?«
»Ach, was heißt normal? Ich fange fast an, mich an dich zu gewöhnen, aber die große Frage steht noch immer im Raum, und die ist nicht beantwortet worden.«
»Du hast sie auch noch nicht gestellt.«
»Das stimmt.«
»Dann höre ich«, flüsterte sie und beugte sich noch näher zu mir hin.
»Ja«, sagte ich, »ja. Weshalb bist du zu mir gekommen? Wie hast du überhaupt überleben können?«
»Das war nicht einfach.«
»Bitte, ich möchte eine Antwort.«
Sie schaute auf ihren Teller und sagte dann: »Ich bin gekommen, um dir etwas zu zeigen.«
»Gut, und was ist es?«
»Ein Bild.«
»Aha.«
»Aber ein besonderes, John.«
»Das kann ich mir denken. Befindet sich das Kunstwerk denn hier in London?«
»Ja.«
»Und du weißt auch wo?«
»In der Tat. Ein Kunsthändler hat es irgendwann gekauft und hält es in seinem Besitz. Man kann auch Sammler oder was weiß ich sagen, aber das Bild hängt in einem seiner Räume.«
»Und der Kunsthändler lebt hier in London?«
»Ja.«
»Und wo?«
»Die Gegend heißt Notting Hill.«
»Aha. Das hätte ich mir beinahe denken können. Die Gegend ist in den
Weitere Kostenlose Bücher