1494 - Hexenhölle
bin unter anderem als Schreiber unterwegs. Da muss ich alles genau festhalten. In den Kirchenbüchern darf nichts verschwiegen werden.«
»Schickt Euch der Bischof?«
»Ja, die hohe Geistlichkeit.« Ich war froh, dass er mir die Brücke gebaut hatte.
Der kräftige Mann schaute mich an. Dabei umfasste er seinen Hammer fester. Ich bekam schon Bedenken, dass er sich auf mich stürzen wollte, aber zum Glück atmete er nur aus.
»Dann geht zum Gasthaus. Dort haben sich die meisten schon versammelt.«
»Nicht auf dem alten Friedhof, wo die Selbstmörder und Verbrecher begraben sind?«
»Nein. Dort steht schon der Scheiterhaufen. Zwei Soldaten bewachen ihn. Sie gehören zu Father Calderon, der die Hexe brennen sehen will.«
»Ich danke Euch für die Auskünfte.« Das war nicht nur so dahergesagt. Der Schmied hatte mir sehr geholfen. Nun kannte ich auch den Namen des Geistlichen.
Mir war natürlich klar, dass der Gang durch den Ort zu einem Spießrutenlaufen werden würde. Meine Kleidung passte nicht in diese Zeit. Man würde mich anschauen wie ein Wesen von einem anderen Stern. Daran ändern konnte ich nichts, und deshalb machte ich mich auf den Weg.
Ein paar Häuser standen hier. Einige waren nur Hütten. Gebaut aus Lehm und ohne Steine. Die Dächer waren aus Gras oder Stroh.
Kleine Fenster, schmale Türen, und das Vieh – Hühner, Katzen und Hunde – lief auf der Straße herum. Sie war vom letzten Regenguss noch nicht ganz trocken geworden und an den Rändern, wo die Abwasserrinnen entlang liefen, noch recht feucht.
Ich hielt mich in der Straßenmitte. Manchmal wehte mir ein leichter Fäkaliengestank entgegen. Das Zeug lag in der Rinne und war vom Wasser noch nicht weggeschwemmt worden.
Kinder schauten mich aus großen Augen an. Manche trugen nicht mal Schuhe und hatten ihre Füße mit Lappen umwickelt. Männer hielten sich kaum im Freien auf. Dafür Frauen, die den Blick abwandten, wenn sie mich sahen. Über allem hier schien die Angst zu schweben wie ein drohendes Ungewitter. Sicher wusste jeder, was heute noch geschehen würde.
Das Gasthaus war nicht zu verfehlen. Es hatte Fenster ohne Scheiben. Der Lärm zahlreicher Stimmen wehte mir entgegen. Vor dem breiten Bau standen die Pferde, die zwar an einem Haltebalken festgebunden waren und trotzdem noch von zwei Halbwüchsigen bewacht wurden, die sich nicht um mich kümmerten.
Ich konnte das Gasthaus unangefochten betreten und musste dabei den Kopf einziehen, um mich durch den Eingang zu quälen.
Rauch, Stimmenwirrwarr und raues Lachen schallte mir entgegen.
Die Gäste hockten an Tischen und saßen auf Bänken, die keine Rückenlehnen hatten. Man trank das Bier aus großer Krügen, und der Schankwirt kam kaum nach, um die Krüge wieder zu füllen.
Als sich meine Augen auf das von Rauchschwaden durchzogene Dämmerlicht eingestellt hatten, ließ ich den Blick schweifen, so gut es mir möglich war. Ich suchte Father Calderon, entdeckte ihn aber nicht in dieser aufgeheizten Atmosphäre aus roher Männlichkeit.
Auch der Soldat Francis war nicht zu sehen, aber die anderen Söldner waren so gekleidet wie er. Ich hatte keine Ahnung, an welch einen Ort die Zeitreise Francis geschafft hatte.
Die Kerle schienen sich darauf zu freuen, endlich mal wieder eine Hexe brennen zu sehen. Und darauf tranken sie.
Der Wirt schwitzte so stark, dass ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief. Sein Gehilfe schaffte es kaum, volle Bierfässer heranzuschaffen.
Ich suchte auch weiterhin nach diesem Father Calderon. Um ihn zu finden brauchte ich eine Auskunft, und die würde ich mir holen müssen. Ich schob mich tiefer in den Raum hinein und hielt dabei Ausschau nach einem Menschen, der einigermaßen Vertrauen erweckend aussah. Ich fand keinen, deshalb hielt ich mich an den Söldner, der mir am nächsten hockte. Er war schon recht angetrunken, saß am Tisch und stierte dumpf in seinen Krug.
Ich setzte mich ihm gegenüber. Andere Gäste hockten etwas von mir entfernt am Ende des Tisches.
Der alte Zecher hatte bemerkt, dass er nicht mehr allein war. Er hob den Kopf an, strich sein fettiges braunes Haar zurück und stierte mich an. Ich wiederum blickte in sein von Pickeln bedecktes Gesicht und sah den trüben Schleier in den Augen. Außerdem stank er.
Nicht nur seine Kleidung, auch sein Körper.
Er zwinkerte einige Male, dann war er so weit, mir einen Frage zu stellen.
»Wer bist du?«
»Ich heiße John.«
Wieder das Zwinkern, dann das Nachdenken. »Ich kenne dich
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