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1494 - Jagd auf Gesil

Titel: 1494 - Jagd auf Gesil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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brauchen, um dich erneut zu finden."
    Leila Changer wählte eine beliebige Richtung. Sie durchstreifte mehrere Stunden die bunten Wiesen, und dabei dachte sie an nichts. Sie vergaß sogar die ewigen Ängste.
    Am frühen Nachmittag gelangte sie an den Waldrand. Auf einer hölzernen Bank saßen zwei Gestalten.
    Die eine war weiblich und ähnelte ihr ein wenig. Sie hatten den Mund mit einem breiten Plastikstreifen zugeklebt.
    Die andere besaß keinen Kopf. An der Stelle des Schädels schwebte eine graue Fläche. Leila Changer wurde durch beide Figuren an etwas erinnert, aber sie konnte diese Erinnerung nicht in Worte fassen.
    Angst verspürte sie jedenfalls nicht. Allein das war verwunderlich.
    Eine Unterhaltung war nicht möglich. Sie hätte der Frau den Streifen vom Mund reißen müssen, und das wollte sie nicht. Diese Person hatte zwei freie Hände. Warum also tat sie es nicht selbst?
    Der Kopflose erhob sich. Plötzlich wirkte er drohend, und die Ängste brandeten wieder in ihr auf. „Halt!" schrie sie. „Kopfloser! Vielleicht kann ich dir helfen. Du brauchst ein Gesicht. Ich besorge dir eines."
    Mit tapsigen Bewegungen kam der Kopflose näher, aber mit jedem Schritt wurde er ein Stück kleiner. Als er Leila erreichte, war er verschwunden. Sie empfand diesen Wandel als ganz normal. Sie war erleichtert.
    Jetzt hatte sie ein Problem weniger. Der Kopflose existierte nicht mehr. Und sie brauchte kein Gesicht für ihn zu besorgen.
    Leila Changer atmete auf. Es entwickelte sich alles im positiven Sinn. Den Verfolger hatte sie abgeschüttelt. Der Fluß hatte sie vor dem Ertrinken bewahrt. Die bunte Wiese hatte ihr neuen Lebensmut gegeben. Die Ängste waren verflogen. Der Kopflose hatte sich aufgelöst.
    Die andere Frau!
    Sie saß noch auf der Bank. Aber das Pflaster auf ihrem Mund war verschwunden. Sie mußte es entfernt haben. „Wer bist du?"fragte sie die Sitzende. „Mein Name ist Gesil", lautete die Antwort. „Das kann nicht sein." Leila Changer lachte. „Gesil ist mein Name."
    Die andere Frau stand auf. „Du solltest nicht versuchen, mich zum Narren zu halten!" verlangte sie sehr energisch. „Ich war zu lange gefangen, als daß ich das ertragen könnte. Ich bin die Realität, und du bist ein Traum."
    „Ein Traum ?" fragte Leila. „Ich bin ein Traum? Dann ist auch meine Angst ein Traum. Der Kopflose existierte gar nicht? Warum hat er sich aufgelöst, wenn er gar nicht vorhanden war?"
    „Du bist verwirrt. Du willst mein Ichselbst sein. Aber das wird dir nicht gelingen. Sieh nach unten!"
    Das tat sie. Alles, was links von ihr war, die Wiese, der Wald, der Boden, alles war verschwunden. Eine messerscharfe Trennlinie zog sich vom Horizont bis in die Unendlichkeit in ihrem Rücken. Mit dem linken Fuß stand sie auf dieser bodenlosen Leere.
    Sie wollte einen Schritt nach rechts machen, um wieder festen Grund unter beide Füße zu bekommen, aber sie rutschte ab. Gesil wollte ihr eine Hand reichen, aber sie kam zu spät.
    Leila Changer rutschte in den Abgrund. Alle Ängste flammten wieder in ihr auf. Sie stürzte und stürzte.
    Gesil erging es nicht anders. Auch sie verlor den Halt und fiel in das bodenlose Nichts.
    Unterwegs vereinigten sich die beiden Körper, und als sie auf dem harten Boden aufschlugen, waren sie eins - Gesil. „Aufwachen!" Etwas bäumte sich in ihr auf und schrie: „Ausklinken!"
    Sie öffnete die Augen und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Dann richtete sie sich in der Hängematte auf.
    Tovaa stand neben ihr. „Was ist geschehen?" fragte sie, während sie behutsam den Simusense-Chip vom Handgelenk löste. „Du machst keinen sehr erfreuten Eindruck. Hattest du dir unangenehme Erlebnisse gewünscht?"
    Gesil ließ sich Zeit mit einer Antwort. Sie ließ das Erlebte noch einmal Revue passieren. „Ich hatte es erwartet", erklärte sie ausweichend. „Ich bin für das Simusense-Netz nicht geschaffen. Und das System paßt auch nicht zu mir. Was ich erlebt habe, war eine Spiegelung meiner Träume und Ängste, vermischt mit künstlichen Realitäten. Die Antworten, die ich gesucht habe, konnte ich nicht finden. Lassen wir es dabei bewenden. Mit den Bildern, die ich durchlebt habe, muß ich allein zurechtkommen. Und das braucht Zeit."
    Tovaa nickte nur.
    Gesil schien auf den ersten Blick ausgeglichen und ruhig, als sie zu den drei Freunden kam. „Ich habe nichts in Erfahrung bringen können", sagte Gesil, an Alaska Saedelaere gewandt, „was uns helfen könnte. Das Simusense-Netz ist

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