1496 - Die Paratrans-Mission
Leute von der JOLLY ROGER wenig Gelegenheit haben, sich dem sanften Frieden dieser eigenartigen Welt hinzugeben.
Sie hatten anderes zu tun.
Die JOLLY ROGER landete in der nördlichen Hemisphäre von Menafor, in der Nähe eines seichten Binnenmeers, das wie ein gigantischer, silberner Spiegel in den blauen Himmel hinaufleuchtete. Dieses Meer war so salzhaltig, daß riesige, kristallene Riffe in seinen Fluten wuchsen. Die Wasserfläche schrumpfte schon seit Jahrhunderttausenden durch die fortschreitende Verdunstung immer weiter zusammen. Salzige Ablagerungen bedeckten die Uferstreifen und reichten oft mehrere hundert Kilometer weit ins Landesinnere hinein. Sie wirkten wie Packeis. Wo sich Sand und Staub in Mulden und Senken gesammelt hatten, wuchsen zähe, genügsame Pflanzen, die wie vielfarbige Krusten den Boden bedeckten.
Sie waren einst die Lieblinge der Biologen gewesen - wahre Wunderwerke der Evolution.
Dao-Lin-H'ay hielt sich die ganze Zeit hindurch in der Zentrale der JOLLY ROGER auf. Sie hatte ihre Augen überall. Aber sie entdeckte auch jetzt nichts, was in irgendeiner Weise verdächtig gewesen wäre. „Hast du Angst, unser Syntron könnte etwas übersehen?" fragte Nikki Frickel spöttisch, als sie einmal kurz hinter der Kartanin stehenblieb. „Ortung!" meldete das Bordgehirn fast im selben Augenblick. „Auf den Schirm damit!" befahl Nikki Frickel.
Sie erblickten einen hellen Fleck, ungefähr zweihundert Kilometer vom vorgesehenen Landeplatz entfernt.
Der Syntron blendete eine Landkarte ein - der Fleck deckte sich mit einer dort eingezeichneten Markierung. In einem anderen Teilbereich des Schirms erschien eine Grafik: Eine Kuppel, von drei kleineren Halbkugeln umgeben. „Die alte Station", kommentierte Nikki Frickel und lächelte zufrieden. „Es ist alles so, wie es sein sollte.
Keine Spur von den Cantaro."
Sie blickte auf Dao-Lin-H'ay hinab - die Kartanin spürte es, drehte sich jedoch nicht um und gab auch keinen Kommentar. „Weiter!" knurrte Nolan, der einen reichlich gestreßten Eindruck machte.
Die JOLLY ROGER sank tiefer. Die schwere Ladung löste sich von den Frachtarmen. Die Zugstrahlen übernahmen die Last und setzten sie auf einer mit niedrigem, dürrem Gras besetzten Fläche ab. Das Schiff landete etwa hundert Meter weiter am Rand eines verwitterten Felshangs, der sich zum Meer hinabsenkte.
Auf halber Höhe dieses Hanges begann die Zone der salzigen Ablagerungen, die an dieser Stelle nur wenige hundert Meter breit war. Der Übergang vom Wasser zum Land war infolge der fehlenden Gezeiten und der ruhigen Wasseroberfläche teilweise verwischt, dabei aber nicht unbedingt sanft. Glitzernde Salzriffe ragten bis weit auf das Meer hinaus. Dazwischen dehnten sich türkisfarbene Lagunen, von buntgebänderten Kristallklippen flankiert. Vom Grund der Lagunen wuchsen leuchtendweiße Salzablagerungen empor, meist als unförmige Knollen und Säulen, bisweilen aber auch in Formen, die an zierliche Korallen erinnerten.
Die JOLLY ROGER öffnete ihre Schleusen. Ein Trupp von Spezialrobotern verließ das Schiff und schwebte über das unberührte Land. Einige der „Gäste", wie man die beiden Synergistiker und ihr Team an Bord zu nennen pflegte, kamen in die Zentrale und besetzten verschiedene Stationen.
Enza Mansoor und Notkus Kantor ließen sich auch jetzt nicht blicken. Ihre Anwesenheit war zur Zeit noch nicht erforderlich. Mit der Aufstellung des Geschützes hatten sie nichts zu schaffen. Ihre Arbeit begann erst später, wenn die Verbindung zwischen dem Paratronkonverter und dem Transformgeschütz geschaltet werden mußte.
Unter den Spezialisten, die mit Hilfe der Roboter das Gelände vermaßen und den Bauplatz vorbereiteten, war auch Creona Dhauby. Es war nicht zu übersehen, daß zwischen ihr und den restlichen Mitgliedern des Teams eine unsichtbare Mauer existierte, und es waren nicht die anderen, die diese Mauer errichtet hatten.
Die reguläre Besatzung der Zentrale zog sich fast vollzählig zurück.
Auch wenn alles unerwartet glatt abgegangen war - die Leute waren erschöpft. Selbst „Blackbeard" Nolan verzichtete diesmal darauf, Nikki Frickel die sonst üblichen Angebote zu unterbreiten. Wahrscheinlich schreckte ihn der Gedanke an den unvermeidlichen Streit, den er mit seiner ständigen Gefährtin bekommen würde.
Ariber Foncan, dem der Feuerleitstand der JOLLY ROGER unterstand, lungerte noch eine Weile herum und sah den Experten auf die Finger. Er träumte seit jeher davon, eine
Weitere Kostenlose Bücher