1496 - Keltenzauber
Einfach so zu verschwinden war nicht seine Sache, aber die Begegnung in der Nacht war einfach zu prägnant gewesen und hatte ihn in eine seelische Stresslage gebracht.
Zum Glück hatte er die Nachricht hinterlassen. Sein Handy hatte er mitgekommen, es allerdings ausgestellt. Er wusste, dass seine Eltern hinter ihm her telefonieren würden, und auf eine Diskussion mit ihnen wollte er sich nicht einlassen. Sheila und Bill hätten ihn womöglich durcheinander gebracht. Er aber wollte seinen Weg gehen, und das allein. Das war er sich schuldig.
Er musste allerdings damit rechnen, dass sich zwei Männer auf den Weg machten, um ihn zu stoppen oder zur Seite zu stehen. Und das war so etwas wie eine Rückversicherung. Deshalb hatte er auch die Nachricht geschrieben.
Samstag. Wochenende. Der große Sturm war vorbei. Die meisten Straßen waren wieder frei.
Johnny hatte sich für die Autobahn entschieden. Da würde er gegen Mittag in Teynham eintreffen. Genau dieser Ort war sein Ziel.
Gewissermaßen ein Ausgangspunkt für ihn. Johnny konnte sich vorstellen, dass die Bewohner sogar informiert waren, was diese geheimnisvolle Gestalt anging. Vielleicht würde man ihm mit Skepsis begegnen, aber er würde sich nicht irre machen lassen und nachforschen. So etwas konnte nicht geheim bleiben.
Eigentlich rechnete er immer mit Myrnas Erscheinen. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie plötzlich auf dem Sitz neben ihm gesessen hätte. Einfach so. Ihn anlächeln, mit ihm sprechen, ihm Mut für künftige Aufgaben machen und so weiter.
Das trat nicht ein. Johnny blieb weiterhin allein in dem Mini.
Dass er mit leerem Magen losgefahren war, hatte ihm bei der Abfahrt nichts ausgemacht. Einige Kilometer später schon. Da dachte er anders darüber, denn sein Magen meldete sich.
Er musste etwas essen und auch einen Schluck trinken.
Tankstellen und Raststätten verkauften Snacks, und Johnny suchte sich eine aus, an der zahlreiche Lastwagen parkten. Dort trank er einen Kaffee und aß Rührei mit angebratenen Champignons, auf die er plötzlich Heißhunger hatte. Ab und zu dachte er an das Handy.
Sicherlich hatten seine Eltern schon mehrmals versucht, ihn zu erreichen, oder sie hatten ihm eine SMS geschickt, aber er schaute nicht nach.
Johnny war letztendlich froh, sich wieder in den Wagen setzen zu können. Ihm ging es jetzt besser. Nur kam ihm die Strecke weiter vor als in der Nacht.
Er war froh darüber, dass ihn keine Müdigkeit erfasste. Das lag wohl an seiner Erregung, die ihn einfach nicht loslassen wollte. Er war gespannt auf eine neuerliche Begegnung mit Myrna und hoffte, dass er alles richtig gemacht hatte. Er sah sich zudem als alt genug an, auf eigenen Füßen zu stehen und seinen eigenen Weg zu gehen.
Johnny hatte auch schon darüber nachgedacht, aus seinem Elternhaus auszuziehen und sich eine eigene kleine Wohnung zu nehmen.
Bisher hatte er den Absprung aber noch nicht geschafft.
Hinzu kam, dass die Conollys mit einem besonderen Schicksal verbunden waren. Da war es sicherlich besser, einen gewissen Schutz zu haben, den sein Zuhause ihm bot.
Das Wetter ließ ihn auch nicht im Stich. Zwar war es recht kalt geworden, aber es fiel kein Schnee, und so kam er gut auf den trockenen Straßen voran.
Von der M2 war es nicht weit bis Teynham. Er nahm die Ausfahrt 5 Richtung Sittingbourne, durchfuhr den etwas größeren Ort, und nach weiteren zwei Kilometern auf der A2 würde er das Dorf Teynham erreichen.
Johnny hielt die Augen weit offen. Es konnte ja sein, dass er etwas Prägnantes sah, das ihn auf die Spur der geheimnisvollen Frau brachte. Das Glück hatte er jedoch nicht.
Die Umgebung kam ihm nicht mehr fremd vor. Er durchfuhr sie innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal.
Man konnte Teynham als ein verschlafenes Nest bezeichnen, das allerdings nur zu dieser Zeit. Zum Ort gehörten auch zahlreiche Ferienhäuser, die um diese Zeit leer standen. Von hier aus bis zur Küste waren es knapp zwei Kilometer.
Es gab auch einen Ortkern, in den Johnny hineinfuhr und sich dabei vorkam wie jemand, der die Wochenendruhe störte, denn Betrieb herrschte in Teynham nicht.
Er sah kaum einen Menschen auf der Straße. Fahrzeuge gab es zwar, aber die waren geparkt. Selbst die Kneipen sahen geschlossen aus, und von den kleinen Geschäften hatte kaum eines geöffnet.
Um einen Schritt weiter zu kommen, brauchte Johnny Informationen. Die wollte er sich beschaffen. Vielleicht gab es ja jemanden, der sich auskannte, und diesen Menschen musste er
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