1497 - Die Gespenster-Villa
kaum gerechnet hatte. Man musste wohl Mauern entfernt haben, um ihn zu schaffen, und er war in ein graues Dämmerlicht eingebettet, denn durch die Fenster sickerte nur wenig Licht.
Seine Augen mussten sich erst an das Halbdunkel gewöhnen, und so verließ er sich zunächst auf die Gerüche, die in seine Nase drangen.
Feuchtigkeit, Moder und Verwesung!
Genau das stellte er fest. Durch den Geruch seines Großvaters war er vorgewarnt worden, und so war der Schrecken darüber nicht besonders groß.
Der erste Rundblick.
Leer war der recht große Raum vor ihm nicht. Man hatte ihn in ein Sterbezimmer umgewandelt. Allerdings standen keine Särge auf dem Boden, sondern primitive Betten. Eigentlich mehr Liegen, die zusammengeklappt werden konnten.
Mason war im Moment zu nervös, um sie zu zählen. Er musste nicht mal genau hinschauen, um zu erkennen, dass von den Liegen keine mehr frei war.
Auf jeder lag eine Gestalt, und sie alle sonderten diesen schlimmen Geruch ab.
Wer hier alles seinen Platz zum Sterben gefunden hatte, interessierte ihn nicht besonders. Diese Menschen waren allesamt Fremde für ihn. Ihm ging es einzig und allein um den Großvater, dessen Geist ihn besucht und hergeführt hatte.
Jetzt wollte er den Körper sehen!
Beim ersten Rundblick hatte er nichts erkennen können. Er wusste wohl, dass die Liegen besetzt waren, aber das war auch alles. Also musste er in den sauren Apfel beißen und näher an die einzelnen Liegen heran. Es war keine Aufgabe, die einem Menschen Freude bereiten konnte. Sich Leichen anzuschauen bedeutete Stress hoch drei. Aber er wusste verdammt genau, dass er ihn sich antun musste.
Er dachte an seine Taschenlampe. Sie würde ihm jetzt gute Dienste leisten. Er holte sie aus der hinteren Hosentasche hervor, und wenig später strahlte ein Lichtfinger auf, der in die Dunkelheit hineinstach und zunächst nichts aus ihr hervorholte. Erst als er die Lampe schwenkte, bekam er den ersten Toten zu Gesicht.
Es war nicht sein Großvater. Auf dem Bett lag eine alte Frau, deren Aussehen ihn erschreckte. Sie war bereits in den Zustand der Verwesung übergegangen, aber ihr Mund stand noch weit offen, als wäre sie bereit, einen allerletzten Schrei auszustoßen.
Er leuchtete über den Körper hinweg und ließ das Licht wandern.
Er zitterte. Er sah die anderen Gestalten. Zwei Skelette, an denen noch Fleischreste hingen, lagen ebenfalls hier, und er begriff, dass er schon tiefer in das Haus hineingehen musste, um den Großvater zu finden.
Das tat er mit schlurfenden Schritten und sah, dass sich der Raum noch weiter nach hinten ausbreitete.
Die Liege mit einer hellen Gestalt darauf wurde von dem Lichtkegel getroffen. Das Helle war nicht die Haut, sondern die Farbe des Totenhemds, und er dachte daran, dass der Großvater ein helles Hemd getragen hatte.
Auch wenn er sich dazu überwinden musste, näherte er sich recht zügig dem Ziel, leuchtete es an, schwenkte dabei den Strahl und hatte das Glück, das Gesicht zu treffen.
Ein bleiches Gesicht, das von weißen Haaren umgeben wurde. Für die anderen Liegen hatte er keinen Blick mehr, diese eine war für ihn wichtig, und er konzentrierte auch weiterhin den Lichtkegel auf das Gesicht.
Ja, das war Harold Fox!
Sein Enkel wusste nicht mehr, was er noch denken sollte. Es überkam ihn wie ein gewaltiger Sturm. Hier lag der Mensch, dessen Geist ihn besucht hatte. Hier lag er als Toter und hatte sich nicht verändert, seit ihn der letzte Atemzug verlassen hatte.
Mason wunderte sich darüber, wie stark er in diesen Momenten war. Er trat noch näher an die Gestalt heran, weil er plötzlich alles sehen wollte.
Das Gesicht schien zu einer Maske aus Gips geworden zu sein. Es sah versteinert und zugleich brüchig aus. Aus den Mundwinkeln war noch eine gelbliche Flüssigkeit gesickert und war praktisch auf dem Kinn kristallisiert. Augen ohne Glanz, die gegen die Decke starrten, als suchten sie dort den Weg zum Himmel.
Der alte Herr war noch nicht lange tot. Deshalb gab es auch keine Spuren von Verwesung. Aber die ersten Leichenflecken begannen sich zu bilden.
Mason schüttelte sich. Er konnte sich einfach nicht an den verfluchten Gestank gewöhnen, doch einen Rückzieher wollte er auch nicht machen.
Er hatte seinem Großvater versprochen, ihn aus diesem Totenhaus wegzuschaffen, und das Versprechen wollte er halten. Erst wenn der Großvater ein normales Grab gefunden hatte, würde er seine ewige Totenruhe bekommen. Etwas anderes gab es für ihn nicht.
Im
Weitere Kostenlose Bücher