1498 - Horrortrip des Sensenmannes
Gestalt auf dem schwarzen Pferd, die in den See hinein ritt…
***
»Verdammt!« flüsterte Jane Collins, die mir zum Fenster gefolgt war. »Das ist er, und er reitet ins Wasser.«
»Ja, in sein Versteck, aus dem er irgendwann wieder hochkommen wird, fürchte ich.«
»Dann sehen wir dumm aus.«
»Das muss nicht sein.«
»Wieso? Was hast du vor?«
Ich deutete schräg in die Tiefe. Das Seeufer war zwar nicht mehr so klar zu erkennen, weil der Dunst dort fahle Wände errichtet hatte, aber ich sah den Steg und das dort auf dem Kiesstreifen liegende Boot noch deutlich genug.
Jane kapierte. »Nein, John, das willst du nicht wirklich tun!«
»Warum nicht?«
»Du ins Wasser?«
Ich winkte ab. »Nein, dafür habe ich das Boot. Damit rudere ich hinter ihm her.«
»Nein, lass es lieber. Er ist dir immer über. Er kann sich auf und im Wasser anders bewegen als du!«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss ihn stoppen. Deshalb bin ich gekommen. Ich will nicht, dass er noch weitere Menschen tötet. Das kann ich nicht zulassen.«
»Du kannst doch zum Ufer laufen und dort auf ihn warten. Auf dem Wasser bist du im Nachteil.«
Ich wusste ja, dass Jane aus ihrer Warte gesehen recht hatte. Aber dieser Killer musste gestellt werden, und wenn ich ihm nachfuhr, hatte ich noch eine Chance.
Er war in das Wasser geritten. Es reichte dem Pferd jetzt bis zur Brust. Aber der Sensenmann ritt nicht weiter. Er blieb an dieser Stelle stehen, als wollte er auf etwas Bestimmtes warten, auf das es noch keinen Hinweis gab.
Er drehte sich langsam auf dem Pferderücken sitzend um, als ahnte er, dass ihn jemand beobachtete.
Automatisch duckten wir uns, weil wir befürchteten, von ihm gesehen zu werden. Aber aus der Entfernung würde er nicht in das kleine Fenster hineinschauen können, zumal das Zimmer nicht erleuchtet war.
Viel Zeit blieb mir nicht.
Die beiden Schülerinnen wirkten so, als wären sie in die Ecke gestellt worden. Jetzt hatte die Angst auch von Lucy Besitz ergriffen.
Sie hielt sich am Arm ihrer Freundin fest.
Ich sprach sie an. »Jane Collins und ich werden das Gebäude verlassen und uns um den Sensenmann kümmern.«
»Was?« flüsterte Farah.
»Ja, wir müssen hin. Der muss gestoppt werden.« Ich erzählte ihnen bewusst nicht von den beiden Toten, die der Sensenmann bereits zurückgelassen hatten, denn ich wollte jede Panik vermeiden.
Farah und Lucy konnten nichts mehr sagen. Die Furcht schnürte ihnen die Kehle zu. Und so beeilten wir uns, das Zimmer so schnell wie möglich zu verlassen.
***
Die Luft draußen hatte sich schon verändert. Am offenen Fenster hatten wir es nicht so deutlich erlebt, doch jetzt, als wir die Schule verließen, wehten uns die dichten Schleier entgegen, die unsere Haut streiften.
Der Blick zum See war von dieser Seite aus frei. Nur hatte der Dunst die Sicht schwächer werden lassen. Es kam noch hinzu, dass sich der Himmel durch die graue Wolkenmasse eingetrübt hatte und bereits auf die Dämmerung wartete. Das Wetter erinnerte mehr an den November als an den Februar, doch das alles störte uns nicht weiter. Unsere Gedanken waren einzig und allein darauf gerichtet, den Sensenmann zu vernichten.
Der Weg zum See war einfach. Wir mussten nur geradeaus laufen, taten dies auch und hatten das Ufer schnell erreicht. Jetzt sahen wir den Sensenmann auf seinem Pferd deutlicher.
Er hatte seine Position nicht verändert und wartete weiterhin an derselben Stelle. Dort hatten wir ihn schon vom Fenster aus stehen gesehen.
Wir standen dort, wo der Steg am Ufer begann. Zum Greifen nah lag auch das Boot, allerdings kieloben. Als Jane sah, dass ich es anpackte, um es umzudrehen, kam sie zu mir und half.
Ich lachte auf, als ich die beiden Ruderstangen sah, die unter dem Boot gelegen hatten.
»Damit wäre alles klar.«
Jane startete einen letzten Versuch, mich zurückzuhalten. »Willst du wirklich auf den See rudern?«
»Sicher. Was denkst du denn?«
Entschlossen schaute sie mir in die Augen. »Gut, dann fahre ich mit.«
»Nein, du…«
»Doch!« Sie fauchte mich an. »Ich war zuerst hier! Ich habe dich geholt! Und ich werde mit dabei sein, wenn es ins Finale geht. Das bin ich mir selbst auch schuldig.«
»Okay, wie du willst.«
Es hatte keinen Sinn, sich mit Jane zu streiten. Sie ließ sich ja doch nicht von ihrem Plan abbringen. Wäre ich allein in das Boot gestiegen, wäre sie womöglich noch hinter mir her geschwommen, und das wollte ich wirklich nicht riskieren.
Gemeinsam schoben wir das Boot
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