15 Gruselstories
glänzende, spitze Zacken krönten das Diadem aus Ebenholz. Und unter diesen Zacken waren kaum sichtbar undeutliche Zeichen in das Holz geschnitzt. Carnoti trat dicht an den freigelegten Kopf heran, um diese Zeichen erkennen zu können. Das, was sie darstellten, war genauso gräßlich wie die ganze Ausführung. Carnotis Blick fiel auf gekrümmte, wurmähnliche Ungeheuer der Vorzeit und auf kopflose, schleimige Kreaturen, die aus anderen Welten kommen mußten. Er sah aufgedunsene Kreaturen in menschlicher Kleidung und blickte auf eine abscheuliche Kampfszene zwischen den alten ägyptischen Gottheiten und sich windenden Dämonen aus der finsteren Unterwelt. Einige der Zeichnungen waren so widerwärtig, daß sie sich gar nicht beschreiben lassen, und andere deuteten abscheuliche Greueltaten an, die schon alt waren, als die Welt noch jung war.
Die ganzen Darstellungen hatten eines gemeinsam: Sie waren böse, widerwärtig und grausam.
Und Carnoti mochte noch so abgebrüht und herzlos sein, beim Anblick dieser abscheulichen Darstellungen lief es ihm kalt den Rücken hinunter.
War es da ein Wunder, daß die Eingeborenen ihre Furcht offen zeigten? In dem Augenblick, als der Kopf der Statue sichtbar wurde, verfielen sie in ein hysterisches Gemurmel. Sie wichen zurück und drängten sich dicht aneinander. Sie murmelten unaufhörlich, wobei sie gelegentlich mal auf die Statue, mal auf den Doktor deuteten.
Carnoti war so sehr in seine Betrachtung versunken, daß ihn weder das Gemurmel der Eingeborenen zum Bewußtsein kam noch die bedrohliche Atmosphäre, die der verstörte Dolmetscher um sich verbreitete. Das einzige, was er in seinem Unterbewußtsein aufnahm, war der Name ›Nyarlathotep‹ und ein paar Anspielungen auf ›Den Sendboten des Satans‹.
Als der Doktor mit seinen Untersuchungen fertig war, wandte er sich wieder zu den Arbeitern um und befahl, die Statue völlig auszugraben. Aber keiner der Eingeborenen rührte sich von der Stelle. Carnoti wiederholte ungeduldig seine Anordnung. Doch die Arbeiter ignorierten seine Worte und blickten mit gesenkten Häuptern stur in den Wüstensand. Schließlich trat der Dolmetscher einen Schritt vor und hielt seinem Herrn eine längere Ansprache.
Er und seine Leute hätten diesen Auftrag nie übernommen, wenn sie gewußt hätten, welche Dienstleistung von ihnen verlangt würde. Nichts auf der Welt könnte sie dazu bringen, die Statue dieser Gottheit zu berühren,, und sie könnten dem Doktor nur den guten Rat geben, ebenfalls seine Finger davon zu lassen, denn es wäre nicht ratsam, sich den Zorn dieses alten Gottes zuzuziehen. Dieser Gott wäre von Geheimnissen umgeben – aber vielleicht hätte der Doktor doch schon einmal etwas von Nyarlathotep gehört. Er war nicht nur die älteste Gottheit Ägyptens, sondern der ganzen Welt. Er war der Gott der Auferstehung des Bösen. Die Legende besagt, daß er eines Tages alle gestorbenen Ungeheuer zum Leben erwecken würde. Und Gnade denen, die er verflucht!
Carnoti, der sich bis zu diesem Augenblick den Vortrag schweigend angehört hatte, verlor langsam die Geduld. Er unterbrach den Sprecher ärgerlich und forderte seine Leute energisch auf, mit dem Geschwafel aufzuhören und statt dessen sofort weiterzuarbeiten. Er verlieh seinen Worten mit einem gezückten Revolver den nötigen Nachdruck. Er brüllte, daß er jede Verantwortung für die sogenannte Entweihung übernehmen würde, denn er würde sich vor keinem verfluchten Götzenbild dieser Erde fürchten.
Die Eingeborenen schienen sehr beeindruckt zu sein, wobei Carnoti allerdings nicht feststellen
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