15 Gruselstories
herausragende Kopf war großartig erhalten. Dieser Kopf war schon sehr eigenartig. Obwohl die Karawanenführer die Eingeborenen mit Fragen bestürmten, konnte oder wollte keiner diese Gottheit identifizieren. So blieb das Ganze erst einmal unergründlich und geheimnisvoll. Aber die Tatsache blieb: Es gab also die vollständig erhaltene Statue einer Gottheit, die mutterseelenallein im südlichen Teil der Wüste vergraben war; die sich weit entfernt von der nächsten Oase und mindestens zweihundert Meilen von den ersten Anzeichen der Zivilisation befand!
Die Karawanenführer hatten aber zweifellos den Wert ihrer Entdeckung erkannt, denn sie befahlen den Eingeborenen, zwei Findlingssteine, die in der Nähe der Statue lagen, auf das steinerne Bildnis der unbekannten Gottheit zu rollen. Sie wollten, für den Fall, daß sie zurückkehren würden, diesen Ort markiert wissen. Die Eingeborenen befolgten zwar diese Anweisung, aber sie taten es widerstrebend und murmelten dabei unaufhörlich eintönige Gebete. Sie schienen sich offensichtlich vor dem vergrabenen Bildnis zu fürchten; doch sobald sie über diese Gottheit befragt wurden, verschanzten sie sich eigensinnig hinter Unwissenheit.
Sobald die Findlingsblöcke an Ort und Stelle waren, mußte die Karawane weiterziehen. Da die Zeit drängte, war es nicht möglich, die ganze Figur vom Sande zu befreien, geschweige denn, sie mitzunehmen.
Sobald die Karawane den Norden erreicht hatte und sich aufgelöst hatte, machte die Geschichte die Runde. Auf Umwegen kam sie – wie bisher jede Geschichte – auch Dr. Carnoti zu Ohren. Und Carnoti dachte sehr schnell. Trotz der Markierung schienen sich die eigentlichen Entdecker nicht sonderlich für die vergrabene Gottheit zu interessieren. Aus diesem Grund mußte Carnoti rasch handeln. Wahrscheinlich würden sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei Schwierigkeiten ergeben, wenn er jenen Ort aufsuchen und die Statue freilegen würde. Nur eins war wichtig: Er mußte wissen, wo ›jener Ort‹ war.
Carnoti hatte das Gefühl, daß es sich lohnte, das herauszufinden.
Wenn er den Eindruck gehabt hätte, daß das Ganze nichts weiter als eine Schatzgräbergeschichte wäre, hätte er spöttisch gelächelt und es, ohne zu zögern, als eine der üblichen Räuberpistolen abgetan. Aber eine Gottheit – das war etwas anderes!
Er konnte verstehen, daß eine Horde arabischer Schmuggler mit der Statue nichts anfangen konnte. Doch gleichzeitig kam ihm die Erkenntnis, daß für ihn persönlich ein solcher Fund wertvoller als sämtliche Schätze Ägyptens sein konnte. Er dachte daran, auf Grund welch schwacher Anhaltspunkte und irreführender Fingerzeige die ersten Ausgrabungen in Ägypten zustande gekommen waren. Die damaligen Expeditionen waren seinerzeit erst vielen falschen Spuren und Fährten nachgegangen, ehe sie die Pyramiden entdeckten und die verfallenen Tempel ausbeuteten. Diese Forscher waren im Grunde ihres Herzens nichts weiter als Grabschänder gewesen. Aber ihr Rauben und Plündern, das sie ›Zum Wohl der Allgemeinheit und unter wissenschaftlichen Motiven‹ betrieben, hatte sie allesamt reich und berühmt gemacht. Was sollte also ihn, Carnoti, hindern, das gleiche zu tun? Wenn diese Geschichte stimmte und diese Statue nicht nur vergraben, sondern auch als Gottheit gänzlich unbekannt war, sich zudem in einem tadellosen Zustand befand und darüber hinaus noch an einem unerforschten Platz stand, dann müßten alle Experten in dem Augenblick aus dem Häuschen geraten, wenn er, Carnoti, die Öffentlichkeit von seinem Fund in
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