15 Gruselstories
einige Gegenstände der Ausgrabungen als sein privates Eigentum betrachtet hatte. Kein Mensch weiß, wo er nach diesem Zwischenfall untergetaucht war. Ein paar Jahre darauf kehrte er jedoch nach Kairo zurück und ließ sich im Eingeborenenviertel nieder. Hier verfiel er endgültig dem skrupellosen Geschäftsgebaren, das ihm einen schlechten Ruf und ein beachtliches Vermögen einbrachte. Gegen beides hatte er anscheinend nichts einzuwenden. Jetzt mochte er etwa fünfundvierzig Jahre alt sein. Er war ein gedrungener kleiner Mann. Sein massiger kugelrunder Kopf ruhte auf breiten, affenartigen Schultern. Lächerliche spindeldürre Beine mußten das Gewicht des schweren Körpers und des fetten Wanstes tragen. Diese dünnen Beine wirkten grotesk im Zusammenhang mit dem wuchtigen, fetten Körper. Obwohl er bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck eines Falstaffes erweckte, blieb keinem lange verborgen, daß er ein harter, unbarmherziger Mann war. Seine kleinen Schweinsaugen waren von Gier erfüllt, seine fleischigen, aufgeworfenen Lippen wirkten lüstern, und sein Lächeln sprach von einer unersättlichen Habgier.
Es war auch seine Habsucht, die ihn in das gegenwärtige Abenteuer getrieben hatte. Normalerweise war ihm Leichtgläubigkeit fremd. Die üblichen Geschichten von unentdeckten Pyramiden, verborgenen Schätzen und entwendeten Mumien konnten ihn nicht sonderlich beeindrucken. Er beschäftigte sich lieber mit handfesteren, wirklichen Dingen. Er konnte sich zum Beispiel für ein Sortiment geschmuggelter Teppiche oder eine Sendung Opium lebhaft interessieren … Er hatte mit einem Wort Verständnis für jeden illegalen Handel und schaltete sich gerne ein, wenn der Weiterverkauf dieser unerlaubten Waren Profit versprach.
Aber diese Sache war etwas anderes. Obwohl es bei genauer Betrachtung eine jener ›üblichen Geschichten‹ war, witterte Carnoti in diesem Fall ein dickes Geschäft, das förmlich nach viel Geld roch. Trotz seiner Vorliebe für handfeste Geschäfte wußte Carnoti nur zu genau, daß viele Ägyptologen ihre berühmt gewordenen Funde auf Grund ähnlich wilder Gerüchte – wie das, was ihm zu Ohren gekommen war – entdeckt hatten. Darüber hinaus war Carnoti in der Lage, den feinen Unterschied zwischen einer unwahrscheinlich klingenden Wahrheit und einer phantastisch ausgeschmückten Dichtung zu wittern. Und diese Geschichte schien der Wahrheit zu entsprechen.
Kurz gesagt, es war folgendes:
Eine bestimmte Nomadengruppe, die mit einer Fracht geschmuggelter Güter unterwegs gewesen war, hatte aus gutem Grund eine geheime, nur ihnen bekannte Route durch die Wüste gewählt. Es schien diesen Nomaden nicht ratsam, einer der bekannten Karawanenstraßen zu folgen. Auf ihrem Weg hatten sie plötzlich einen seltsamen Felsen oder Stein mitten im Sand entdeckt. Sie wichen von ihrem Weg ab, um diesen Gegenstand näher in Augenschein zu nehmen. Der Stein schien offensichtlich vor Hunderten von Jahren vergraben worden zu sein, aber der Wüstenwind hatte im Laufe der Zeit den Sand aufgewirbelt und ihn teilweise davongetragen. Dadurch war ein gewisser Teil des Steines freigelegt worden. Als die Nomaden dicht genug herangekommen waren, stiegen sie ab und untersuchten das Objekt genau. Dabei machten sie eine verblüffende Entdeckung. Das Stück, das durch den Sand freigelegt worden war, entpuppte sich als der Kopf einer Figur. Es handelte sich um eine uralte ägyptische Statue, die die dreifache Krone einer Gottheit trug. Der schwarze Körper war noch in den Wüstensand eingehüllt, aber der
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