15 Gruselstories
einzuschlagen.
Als er sich bückte, um die Kleidersäcke auf einen Haufen zu legen, tanzte der Lichtstrahl der Taschenlampe auf tausend glitzernden Oberflächen. Vor seinen Augen war ein einziges Gleißen und Funkeln.
Auf einmal verschwand das Funkeln. Die glänzenden Spiegel verdunkelten sich eigentümlich. Aber das war nur natürlich, denn sein Spiegelbild füllte sie aus. Sein Spiegelbild – und etwas, was dunkler war. Etwas Wolkiges, Verschwommenes, Quirlendes, etwas, was ein Teil der modrigen Luft war, etwas, was durch seine Gegenwart den Aufenthalt in dem Raum unerträglich werden ließ. Es war hinter ihm – nein, es war neben ihm – nein, vor ihm – es umgab ihn von allen Seiten – es wurde größer und größer und löschte ihn aus. Es verursachte, daß er zitterte und in Schweiß ausbrach. Es raubte ihm jetzt den Atem und zwang ihn, aus dem Raum zu stürzen, die Tür hinter sich zuzuwerfen und sich mit letzter Kraft erschöpft dagegen zu lehnen.
Es hatte auch einen Namen – Platzangst. Genau das war es.
Nichts weiter als neurotische Angstzustände … Nichts weiter als das beklemmende Gefühl, in einem engen Raum eingeschlossen zu sein. Außerdem wird jeder Mann nervös, wenn er zu lange in einen Spiegel schaut – geschweige denn in fünfzig Spiegel!
Er zitterte heftig. Nur um seine Gedanken zu beschäftigen, damit sie sich nicht mit dem befassen konnten, was er halb gesehen, halb gefühlt, halb erkannt hatte, dachte er weiter über Spiegel nach. Über das In-den-Spiegel-schauen. Für Frauen ist es eine Art Lieblingsbeschäftigung; aber Männer sind da anders.
Männer – wobei er sich selbst einschloß – scheinen Spiegeln gegenüber eine Befangenheit zu haben. Er entsann sich an den Schock, den er bekommen hatte, als er sich in einem Bekleidungshaus zum erstenmal in einem jener Spiegel betrachtet hatte, in denen man sich von allen Seiten sehen kann. Ein Mann sieht im Spiegel verändert aus. Nicht mehr so, wie er sich einbildet, auszusehen. Ein Spiegel verzerrt. Warum summen und singen und pfeifen die Männer, wenn sie sich rasieren? Doch nur, um sich nicht mit ihrem Spiegelbild auseinandersetzen zu müssen. Denn sonst könnten sie leicht verrückt werden. Wie war doch der Name des Knaben aus der griechischen Mythologie, der sich in sein eigenes Bild verliebt hatte? Narzissus, richtig, Narzissus, der stundenlang in eine Quelle starrte, um sein Bild zu sehen.
Frauen hinwiederum können es. Aus dem einfachen Grunde, weil sich Frauen selber nie wirklich sehen. Sie sehen einen Wunschtraum, dem sie mit Lippenstift, Puder und Lidschatten näherzukommen versuchen. Aber Frauen sind sowieso etwas verrückt. Hatte sie ihm nicht neulich gesagt, sie hätte ihn im Spiegel gesehen, obwohl er gar nicht da war?
Vielleicht sollte er ihr besser nichts erzählen; zumindest nicht, bevor er mit dem Makler Hacker gesprochen hatte. Denn eine Erklärung wollte er auf alle Fälle haben. Irgend etwas war irgendwie faul. Warum hatten die vorherigen Mieter alle Spiegel hier oben aufbewahrt?
Als er jetzt über den Boden zurückkehrte, zwang er sich, langsam zu gehen und an irgend etwas zu denken. An irgend etwas – nur nicht an die Angst, die er in dem Raum voller Spiegelungen empfunden hatte.
Spiegelungen von etwas. Aber von was? Wer fürchtet sich vorm bösen Wolf? Wer fürchtet sich vor Spiegelungen? Fast ein neues Märchen, wie?
Vampire. Wie wäre es mit Vampiren? Aber die haben keine Spiegelbilder. »Sagen Sie mir die Wahrheit, Mr. Hacker, waren die Leute, die das Haus gebaut haben, Vampire?« Reizende Vorstellung.
Wirklich eine reizende Vorstellung. So recht geschaffen für die Dämmerung, wenn die Dielen knackten, die Fensterläden klapperten und sich die Nacht
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