15 Gruselstories
vorgefallen war, denn als die Gäste lärmend den Wunsch äußerten, das ganze Haus zu besichtigen, bemühte er sich, sie davon abzuhalten. »Oben ist noch nicht alles eingerichtet«, murmelte er. »Es ist ein heilloses Durcheinander, und Sie würden vor Kisten und Koffern nicht treten können.«
»Wer ist jetzt oben?« fragte Mrs. Teters, als sie mit ihrem Mann in die Küche kam. »Wir haben gerade einen furchtbaren Krach gehört.«
»Irgend etwas muß umgefallen sein«, murmelte der Gastgeber; aber er schaute bei den Worten seine Frau nicht an, und sie vermied es ebenfalls, ihm in die Augen zu blicken.
»Wie wäre es mit noch einem Drink?« fragte sie. Sie mixte und goß hastig ein, und ehe die Gläser halb leer waren, bereitete er schon den nächsten Drink vor. Der Alkohol löste die Zungen, und solange die Leute redeten, überhörten sie vielleicht andere Geräusche.
Die Kriegslist bewährte sich. Die Gäste verzogen sich nach und nach wieder ins Wohnzimmer. Das Radio plärrte und das Gelächter schwoll an. Das Stimmengewirr verscheuchte die Geräusche der Nacht.
Er schenkte ein, und sie reichte die Gläser herum, und beide tranken. Aber der Alkohol verfehlte bei ihnen seine Wirkung. Sie bewegten sich so vorsichtig, als wären ihre Körper aus Glas, das nur darauf wartete, durch einen plötzlichen gellenden Schrei am Boden zu zerschmettern. Sie konnten soviel trinken, wie sie wollten, sie wurden nicht betrunken.
Ihre Gäste waren gewiß nicht aus zerbrechlichem Glas. Sie tranken und fürchteten nichts. Sie blieben auch nicht sitzen, sondern wanderten herum, und es dauerte gar nicht lange, bis sich Mr. Valliant und Mrs. Talmadge auf eigene Faust auf Entdeckungsreisen in das obere Stockwerk verzogen. Das war zweifellos nicht ganz korrekt, aber glücklicherweise bemerkte niemand weder ihr Verschwinden noch ihre Abwesenheit. Die anderen wurden erst aufmerksam, als Mrs. Talmadge die Treppe heruntergestürzt kam und sich im Badezimmer einriegelte.
Die Gastgeberin bemerkte den Vorfall und folgte Mrs. Talmadge. Sie rüttelte an der Badezimmertür, bat um Einlaß und bereitete sich auf ein paar diskrete Fragen vor. Aber nichts dergleichen war notwendig, denn Mrs. Talmadge fiel ihr förmlich entgegen. Sie weinte und rang die Hände.
»Das ist eine solche Gemeinheit«, schluchzte sie, »uns nachzuschleichen und zu belauern. Dieser widerliche Kerl … ich gebe zu, wir haben ein wenig geschmust, aber das war auch alles. Er mußte sich auch noch verkleiden. Ich möchte nur wissen, wo er den Bart herbekommen hat. Ich habe mich zu Tode erschrocken.«
»Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte die Gastgeberin und verstand alles. Sie fürchtete die nächsten Worte.
»Jeff und ich waren im Schlafzimmer. Wir standen nur im Dunkeln – weiter nichts –, ich schwöre es. Auf einmal schaute ich über meine Schulter in den Spiegel, weil vom Flur her Licht kam. Jemand hatte die Tür geöffnet, und ich konnte das Glas und sein Gesicht sehen. Oh, natürlich, es war mein Mann, aber er trug einen Bart – und die Art, wie er hereingeschlichen kam und uns anstarrte …«
Die nächsten Worte gingen in Schluchzen unter. Mrs. Talmadge zitterte so heftig, daß sie gar nicht bemerkte, wie sehr der Körper ihrer Gastgeberin bebte. Aber sie riß sich gewaltsam zusammen, um den Rest der Geschichte mit einiger Fassung anhören zu können. »… und wie er heimlich wieder hinausschlüpfte, ehe wir irgend etwas sagen oder tun konnten. Du lieber Gott, wenn wir zu Hause sind, wird er mir die Hölle heiß machen und mir die Seele aus dem Leibe fragen – er ist so schrecklich eifersüchtig …« Mrs. Talmadge vergrub ihr Gesicht in die Hände. »Wenn Sie wüßten, wie sein Gesicht im Spiegel ausgesehen hat.« Sie
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