15 Gruselstories
ein eigenartiges Rauschen ein. Die Blätter unter den Bäumen raschelten, und zielbewußte Schritte, die von Hufen zu stammen schienen, näherten sich. Die Sonne war endgültig untergegangen. Der Mond stand jetzt am blaßroten Himmel. Als sein fahles Licht die Grotte erhellte, verstärkten sich die raschelnden Geräusche. Ein silberner Mondstrahl glitzerte auf dem Mittelaltar. Im gleichen Augenblick erfüllte ein schwaches und doch schrilles Pfeifen die Luft. Diese Töne, die aus einer Hirtenflöte stammten, waren so hoch, daß es klang, als kämen sie aus einer großen Entfernung. Die pfeifenden Töne wurden eins mit dem Rascheln und dem herben Geruch des Weihrauchs, der den dunklen Wald erfüllte.
Jetzt waren auch noch andere Geräusche zu hören: unheimliches Stöhnen und hohes Wiehern, Zirpen und Knurren. Und ein anderer Geruch, eine Zusammensetzung von verschiedenen Düften, mischte sich mit dem Weihrauch. Es war der Moschusgeruch, der den Tieren und Kreaturen des Waldes anhaftet.
Talquist starrte mit weitaufgerissenen Augen in die Nacht – dann schrie er beinahe.
Denn die Kreaturen des Waldes kamen in die Lichtung. Sie hüpften und sprangen und scharrten über den harten Erdboden. Die zottigen Faune, die ein menschenähnliches Aussehen hatten, vollführten im Mondlicht wilde Sprünge. Sie wackelten mit ihren Ziegenbärten und stießen ein meckerndes Gelächter aus.
Hier waren also die lebendig gewordenen Fabelwesen der alten Sagen!
Bacchantinnen in Bullengestalt stampften mit kehligem, fröhlichem Brüllen in die Lichtung und schüttelten ihre behaarten Köpfe in viehischer Fröhlichkeit. Zentauren stolzierten über den Rasen. Ihre bösen, verschlagenen Gesichter verzogen sich zu lüsternen Grimassen, und ihre Hengstkörper strotzten vor überschäumender Kraft. Sie schnaubten, bäumten sich auf und zertraten mit ihren scharfen Hufen das Feuer auf den Altarsteinen.
Jetzt konnte sich Talquist die Hufabdrücke auf dem Gras erklären! Die Waldgeister mit den abscheulichen Ziegenköpfen stießen heisere Schreie aus und vollführten wilde Sprünge. Ab und zu blieben sie stehen und blökten den Mond an. Als sie den Weihrauch witterten, streckten sie in wohligem Behagen ihre Füße mit den Hufen.
Die Flötentöne aus der Ferne wurden noch schriller, und die hüpfenden, springenden Waldgeister lachten noch lauter. Sie umtanzten in wilder Ekstase die Altarsteine. Talquist rang nach Luft. Die alten Sagen wurden vor seinen Augen zur Wirklichkeit. Er warf wieder einen Blick auf das Zeichen des Satyrs auf seiner Brust und schaute auf, als er schrilles Schreien vernahm.
Die lebenden Schatten der Nymphen kamen auf den Flügeln des Sturms in die Lichtung gebraust. Sie tanzten über das Gras und ließen ihre nassen grünen Haare wild flattern, als sie sich vor den Tiermenschen drehten.
Eine grünhaarige Nymphe, deren Augen so rot wie Blut waren, schaute sich Roger Talquist besonders eingehend an. Die unheimliche Kraft, die ihn durchströmte, schien ihn fast zu zersprengen, als er sah, wie diese Nymphe mit den anderen tanzte.
Jetzt sahen die Kreaturen, was auf dem Altar lag. Ein Waldgeist kroch dicht heran und winkte dann seinen weniger mutigen Genossen lebhaft zu. Eine behaarte Pranke streckte sich aus und berührte den toten Körper von Lepolis. Ein Satyr schlug vor der Leiche Purzelbäume. Dann näherte auch er sich dem Toten. Seine Nüstern blähten sich, als er an dem Bart des alten Mannes zupfte. Ein Zentaur trat so rasch zurück, daß seine schweißbedeckten Flanken einen Stein ins Wanken brachten. Die Nymphen kicherten schrill.
Dann hatten sich alle um den inneren Altar versammelt. Sie liebkosten mit
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