15 Gruselstories
Fluch dir denn anhaben?« fragte ich. O ja, ich würde mit Hartley vernünftig reden. Das ägyptische Fieber hatte ihn so geschwächt, daß die Geschichte mit dem Fluch bei ihm zu einer fixen Idee geworden war. Wenn ich logisch mit ihm redete, konnte ich ihn vielleicht davon überzeugen, daß er nur an einer Halluzination litt. »Was kann der Fluch dir denn anhaben?« wiederholte ich.
Er sagte nicht gleich etwas. Und dann schien er sich die Worte abzuringen.
»Ich habe eine Mumie gestohlen«, sagte er mühsam. »Ich habe die Mumie einer Tempelgöttin gestohlen. Ich muß verrückt gewesen sein, als ich es getan habe. In dem Sarg waren Gold und Juwelen – und der geschriebene Fluch. Ich habe jetzt beides – die Mumie und den Fluch.«
Ich starrte ihn an und wußte, daß er in diesem Fall die Wahrheit sagte.
»Darum mußte ich meinen Posten niederlegen. Ich habe die Mumie gestohlen, und ich bin verflucht. Ich habe es nicht geglaubt, aber die kriechenden Wesen sind genauso erschienen, wie es die Inschrift verkündet hat.
Zuerst dachte ich, der Fluch besagte, daß die Käfer überall dorthin gehen, wo auch ich hingehe, daß sie mich verfolgen und daß sie mich dadurch für immer von den Menschen fernhalten. Aber seit kurzem denke ich anders über den Fluch. Ich habe das Gefühl, daß die Käfer die Funktion von Rächern haben, die mich umbringen wollen.«
Das war ein haarsträubender Unsinn.
»Ich habe mich seitdem nicht getraut, den Kasten mit der Mumie aufzumachen. Ich habe Angst, die Inschrift noch einmal zu lesen. Der Kasten befindet sich hier im Hause, aber ich habe ihn abgeschlossen, und ich werde ihn dir nicht zeigen.
Ich möchte ihn verbrennen, aber ich darf ihn auch nicht aus der Hand geben. Er ist in gewisser Weise der Beweis dafür, daß ich nicht verrückt bin. Und wenn diese Biester mich umbringen …«
»Hör mit diesem Unsinn auf«, brüllte ich ihn an. Ich holte tief Luft, und dann legte ich los. Ich kann heute nicht mehr sagen, welche Worte ich gebrauchte, aber ich weiß genau, daß es einige herzerfrischende Dinge waren. Als ich schließlich fertig war, setzte er ein Märtyrerlächeln auf.
»Täuschungen? Nein, die Käfer sind keine Einbildung. Aber wo kommen sie her? Ich kann nicht ein einziges Loch in der Wand finden. Und trotzdem kommen sie jede Nacht in mein Schlafzimmer, kriechen an meinem Bett hoch und wollen an mein Gesicht heran. Diese schwarzen kriechenden Biester, die nur ein paar Zentimeter lang sind, kommen zu Hunderten. Ich fege sie beiseite. Doch sobald ich einschlafe, kommen sie wieder. Sie sind sehr schlau und schnell. Ich habe noch nie einen Käfer erwischen können. Sie scheinen genau zu wissen, wie es um mich steht – oder die Macht, die sie schickt, weiß es …
Sie kommen Nacht für Nacht aus der Hölle gekrochen. Ich kann das nicht mehr aushalten. Eines Abends werde ich einschlafen. Dann werden sie über mein Gesicht kriechen und dann …«
Er sprang plötzlich auf seine Füße und schrie.
»Da – da – die Ecke – direkt aus der Wand.«
Schwarze Schatten bewegten sich.
Ich sah einen Fleck und glaubte das Rascheln von kriechenden Wesen zu hören.
Hartley schluchzte trocken.
Ich drehte das elektrische Licht an. Wie nicht anders zu erwarten, war nichts von seinen Käfern zu sehen. Ich blickte ihn wortlos an und verließ ihn dann sehr plötzlich. Hartley saß zusammengesunken auf dem Stuhl und stützte seinen Kopf in die Hände.
Ich ging auf der Stelle zu meinem Freund, Doktor Sherman.
Die Diagnose, die er stellte, war genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Neurose und Halluzinationen. Hartleys Schuldkomplex wegen der gestohlenen Mumie ließ ihn nicht los. Das Resultat war, daß er sich einbildete, Käfer zu sehen, die ihn verfolgten.
Sherman sagte in der Geheimsprache der Ärzte noch
Weitere Kostenlose Bücher