15 Gruselstories
Bohemiens.
Es würde zu weit führen, Ihnen das zu erklären, aber ich habe meine Gründe dafür, anzunehmen, daß Jack the Ripper Mitglied dieser Gesellschaftsklasse ist. Er hat sich entschlossen, die Rolle eines Exzentrikers zu spielen. Ich habe einfach das Gefühl, daß ich, wenn ich mich Ihnen anschließen darf und Sie mich bei diesen Leuten einführen, auf die Person, die ich suche, stoßen könnte.«
»Mir soll es recht sein«, sagte ich. »Aber wie wollen Sie Jack the Ripper herausfinden? Sie sagten doch selbst, er kann überall und jeder sein. Und Sie haben keine Ahnung, wie er aussieht. Er kann jung oder alt sein. Er kann jede Art von Beruf haben. Vielleicht ist es ein reicher Mann, ein armer Mann, ein Bettler, ein Dieb, ein Arzt, ein Rechtsanwalt – wie wollen Sie ihn erkennen?«
»Das wird sich herausstellen.« Sir Guy seufzte schwer. »Auf alle Fälle muß ich ihn finden. Und zwar sofort.«
»Warum diese Eile?«
Sir Guy seufzte wieder. »Weil er übermorgen wieder einen Mord begehen wird.«
»Sind Sie sicher?«
»Das ist genauso sicher wie das Sternbild, das in zwei Tagen am Himmel erscheinen wird. Ich sagte Ihnen ja schon, daß alle Morde mit einem gewissen astrologischen Rhythmus übereinstimmen. Es ist für einen Laien ein kompliziertes System, aber wenn man sich, so wie ich, jahrelang damit beschäftigt hat, kommt man dahinter. Und wenn ich mit meiner Vermutung recht habe, daß er Blutopfer darbringt, um seine Jugend zu erneuern, dann muß er einfach in zwei Tagen jemanden töten. Darum muß ich ihn irgendwie vorher finden.«
»Und wie stellen Sie sich meine Hilfe vor?«
»Führen Sie mich herum. Nehmen Sie mich zu Parties mit. Stellen Sie mich ihren Freunden vor.«
»Aber bei wem soll man anfangen? Abgesehen davon, daß meine Freunde das Exzentrische lieben, sind sie ganz normale Bürger.«
»Das gleiche trifft für Jack the Ripper zu. Ein ganz normaler Bürger. Mit Ausnahme gewisser Nächte …« In Sir Guys Augen trat wieder der abwesende Blick. »Dann verwandelt er sich in ein zeitloses, krankhaft veranlagtes Ungeheuer, das mit seinem Messer durch die Gassen schleicht, um unter einem gewissen Sternbild ein Menschenleben zu opfern.«
»Schon gut, schon gut«, beeilte ich mich zu sagen. »Sie können mich heute abend begleiten, Sir Guy. Ich würde sowieso zu irgendeiner Party gehen. Nach allem, was ich heute nachmittag von Ihnen zu hören bekommen habe, habe ich das dringende Bedürfnis, einige Drinks zu mir zu nehmen.«
Nach kurzem Überlegen entschloß ich mich für Lester Bastons Studio.
Als uns der Fahrstuhl surrend in das Dachgeschoß brachte, hielt ich es für zweckmäßig, Sir Guy zu warnen.
»Baston ist ein echter Spinner«, sagte ich eindringlich. »Und seine Gäste sind nicht viel anders. Man kann nie wissen, was ihnen plötzlich durch den Kopf schießt.« Ich zuckte die Achseln. »Sie wollten es so, Sir Guy, aber Sie müssen auf alles gefaßt sein.«
»Das bin ich auch«, erwiderte Sir Guy mit todernstem Gesicht. Er griff in seine Hosentasche und brachte einen Revolver zutage.
Ich schnappte nach Luft. »Was, zum Teufel –«, begann ich.
»Sie sehen, daß ich wirklich auf alles gefaßt bin.« Sir Guys Lächeln war ohne Humor.
»Aber, Mann Gottes, Sie können doch nicht mit einem geladenen Revolver in der Tasche auf einer Party herumrennen!«
»Keine Sorge! Ich werde keine Dummheiten machen!«
Ich nagte an meiner Unterlippe. Man konnte diesen Sir Guy Hollis wahrlich nicht als einen normalen Zeitgenossen bezeichnen.
Als wir den Fahrstuhl verlassen hatten und auf Bastons Wohnungstür zugingen, warf ich Sir Guy einen raschen Blick zu.
»Nebenbei gesagt«, murmelte ich, »wie wollen Sie eigentlich vorgestellt werden? Soll ich denen« ich deutete mit dem Daumen auf die
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