15 Gruselstories
laut zu lachen. Wußtest du nicht, daß Jack the Ripper in Wirklichkeit auch eine Frau sein kann? So eine Art ›Jill the Ripper‹.«
»Soll das heißen, daß tatsächlich einer von uns verdächtigt wird?« kreischte LaVerne Gonnister und lächelte Sir Guy einfältig an. »Aber ist dieser Jack the Ripper nicht seit Ewigkeiten verschwunden? War das nicht so um 1888?«
»Aha!« grölte Baston. »Junge Dame, wie kommt es, daß du so gut Bescheid weißt? Das ist ja sehr verdächtig! Behalten Sie sie im Auge, Sir Guy – vielleicht ist sie nicht mehr ganz so jung, wie sie erscheint. Diese weiblichen Poeten haben meist eine dunkle Vergangenheit!«
Die Spannung war gewichen; die eigentümliche Stimmung war verflogen. Das Ganze war zu einem verrückten Partyscherz geworden.
Der Pianist fing wieder an, das Klavier zu bearbeiten, LaVerne Gonnister stieß Johnny Odcutt in die Rippen, und Lydia Dare ließ sich von Barclay Melton einen neuen Drink mixen.
Lester Baston nahm seinen Arm von Sir Guys Schultern und ließ ihn sinken. Dabei streifte er zufällig einen harten Gegenstand in Sir Guys Tasche.
»Wißt ihr was, Freunde«, schrie er. »Unser Walroß hat eine Kanone bei sich.«
Ehe es Sir Guy verhindern konnte, hatte der andere die Pistole aus seiner Tasche hervorgezogen.
Verrückte Freunde hin, verrückte Freunde her, ich hatte das Gefühl, daß das Ganze anfing, entschieden zu weit zu gehen. Aber als mir Sir Guy jetzt einen raschen Blick zuwarf, erinnerte ich mich an seine Worte, daß ich mich durch nichts aus der Fassung bringen lassen sollte.
Darum mischte ich mich auch nicht ein, als Baston jetzt eine echte Schnapsidee vorbrachte.
»Wir wollen unserem Freund, dem Walroß, eine faire Chance geben«, grölte er. »Sir Guy hat in seiner Mission den weiten Weg von England zu unserer Party nicht gescheut. Da keiner von euch bereit zu sein scheint, ein Geständnis abzulegen, würde ich vorschlagen, daß wir unserem Freund die Chance geben, die Wahrheit selbst herauszufinden, eine Chance, bei der es allerdings um ›alles oder nichts‹ geht.«
»Fabelhafte Idee«, grunzte Johnny Odcutt. »Aber kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken?«
»Ich werde eine Minute lang das Licht ausmachen. Sir Guy kann hier mit seinem Revolver in der Hand stehenbleiben. Falls einer in diesem Raum Jack the Ripper sein sollte, kann er sich entweder aus dem Staube machen oder aber die Gelegenheit beim Schopfe fassen und – nun ja, seinen Verfolger mundtot machen. Ist das ein fairer Vorschlag?«
Dieser Vorschlag war vielleicht noch verrückter, als er im ersten Augenblick klang, aber er entsprach genau der Mentalität der Anwesenden. Sir Guys Proteste gingen in dem Stimmengewirr unter. Und ehe ich vortreten konnte, um ein paar passende Worte zu sagen, stand Lester Baston schon beim Lichtschalter.
»Und daß sich keiner von der Stelle rührt«, warnte er mit gespieltem Ernst. »Eine Minute lang werden wir im Dunkeln bleiben. Vielleicht wird uns ein Mörder dafür dankbar sein. Wählen Sie Ihre Partner, meine Damen und Herren.«
Das Licht erlosch.
Irgend jemand kicherte.
Ich hörte Schritte in der Dunkelheit.
Eine männliche Stimme murmelte etwas.
Eine Hand fuhr über mein Gesicht.
Meine Armbanduhr tickte aufreizend laut. Aber etwas war noch lauter; und das war das Pochen meines Herzens.
Es war absurd. Ich stand hier im Dunkeln zwischen einem Haufen angetrunkener Narren. Aber dennoch: Eine finstere Ahnung schien die Anwesenden zu befallen; ein ungeahntes Grauen erfüllte die Dunkelheit.
Jack the Ripper wählte für seine Streifzüge diese Dunkelheit. Und Jack the Ripper hatte ein Messer. Jack the Ripper hatte einen kranken Geist. Die Taten bewiesen seinen Wahnsinn.
Aber Jack the Ripper war tot.
Nach
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