15 Gruselstories
Tür – »sagen, wer Sie sind und was Sie suchen?«
»Das ist mir egal. Aber wahrscheinlich ist es am gescheitesten, die Wahrheit zu sagen.«
»Aber würde dann nicht ›the Ripper‹, falls er oder sie durch ein Wunder anwesend sein sollte, Lunte riechen und sich völlig in das Schneckenhaus zurückziehen?«
»Ich glaube eher, daß die betreffende Person bei der Bemerkung, daß ich auf der Jagd nach Jack the Ripper bin, so verdattert ist, daß sie sich durch irgendeine Geste verrät.« Sir Guy blickte versonnen vor sich hin.
»Sie würden selbst einen ganz guten Psychiater abgeben«, meinte ich lächelnd. »Ihre Idee ist nicht schlecht. Aber ich muß Sie ernsthaft warnen. Das kann sehr leicht ins Auge gehen. Bedenken Sie, daß Sie eine Ansammlung von Wilden vorfinden werden.«
Aber Sir Guy lächelte nur.
»Ich bin vorbereitet«, verkündete er. »Ich habe mir einen kleinen Schlachtplan zurechtgelegt. Ich danke Ihnen für Ihre Warnung; aber ich möchte Sie ebenfalls warnen. Was immer ich auch tun werde, lassen Sie sich durch nichts aus der Fassung bringen!«
Das kann ja reizend werden, dachte ich, aber ich sagte nichts. Ich nickte lediglich und klingelte.
Baston riß die Tür auf und torkelte uns entgegen. Seine Augen waren so rot wie die Maraschino-Kirsche in seinem Cocktail. Er schwankte beachtlich, als sein Blick von meinem steifen Homburg zu Sir Guys Schnurrbart wanderte.
»Aha«, lallte er. »Hochwürden haben heute ein Walroß mitgebracht …«
Ich stellte Sir Guy vor.
Baston schlug sich vor die Brust und verneigte sich tief. »Herzlich willkommen! Welch Glanz in meiner Hütte …« Mit einer weit ausholenden Handbewegung forderte er uns auf, einzutreten. Er schob uns in sein verrückt eingerichtetes Wohnzimmer.
Ich schaute auf die Menge, die sich rastlos durch den Zigarettenqualm bewegte.
Die Zeit und demzufolge die Stimmung war schon sehr fortgeschritten. Jede Hand hielt ein Glas, und jedes Gesicht hatte einen hektischen roten Schimmer. In einer Ecke des Zimmers hämmerte jemand wild auf dem Klavier herum, aber die profanen Laute der Kartenspieler in einer anderen Ecke übertönten den Rhythmus von ›I love you – don’t you forget it‹.
Sir Guys Blick wanderte von einem zum anderen. Er sah, wie LaVerne Gonnister, die Lyrikerin, Hymie Kralik ein blaues Auge schlug. Er sah, wie Hymie Kralik daraufhin zu Boden ging und weinte, bis Dick Pool, der sich einen neuen Drink holen wollte, versehentlich auf seinen Magen trat.
Er hörte, wie die Artistin Nadia Vilinoff zu Johnny Odcutt sagte, daß seine Tätowierungen das Allerletzte wären, und er beobachtete, wie Johnny Odcutts Frau mit Barclay Melton unter den Tisch kroch.
Er hätte seine zoologischen Betrachtungen gewiß noch lange fortsetzen können, wenn sich Lester Baston nicht auf einmal mitten im Zimmer aufgebaut hätte und sich dadurch Gehör verschaffte, daß er eine Vase auf den Boden schmiß.
»Wir haben heute distinguierte Gäste in unserer Mitte«, grölte er und schwenkte sein halbvolles Glas in unsere Richtung. »Einen Pfarrer und ein Walroß. Das Walroß ist Sir Guy Hollis, ein Edelmann oder so etwas Ähnliches von der Britischen Botschaft. Hochwürden ist, wie wir alle wissen, unser geliebter John Carmody, der berühmte Erlöser von all unseren sexuellen Nöten.«
Er torkelte auf Sir Guy zu, packte ihn beim Arm und zog ihn in die Mitte des Zimmers. Einen Augenblick lang dachte ich, Sir Guy würde sich diese Behandlung verbitten, aber der rasche Blick, den er mir zuwarf, überzeugte mich von seinem Entschluß, mit den Wölfen zu heulen.
»Es ist bei uns Sitte«, quäkte Baston, »neue Gäste einem Kreuzverhör zu unterziehen. Bei unseren formellen Zusammenkünften legen wir auf diese kleine
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