15 Gruselstories
Formalität wert. Sind Sie bereit, Sir Guy Hollis, Fragen zu beantworten?«
Sir Guy grinste und nickte.
»So ist es recht«, grunzte Baston. »Freunde, ich übergebe euch dieses Bündel aus Großbritannien zum Kreuzverhör.«
Die Meute johlte und bestürmte Sir Guy mit Fragen. Ich wollte mir nichts entgehen lassen, aber in diesem Augenblick entdeckte mich Lydia Dare und zog mich mit sanfter Gewalt auf den Korridor. Dort verwickelte sie mich in eins der beliebten Liebling-ich-warte-seit-Tagen-auf-deinen-Anruf-Gespräche.
Als ich sie endlich wieder loswurde und ins Zimmer zurückkam, war das Frage-und-Antwort-Spiel in vollem Gange. So, wie sich die Meute verhielt, konnte ich annehmen, daß sich Sir Guy auf ihre Wellenlänge eingestellt hatte.
Aber dann stellte Baston eine Frage, die dem lärmenden Spiel eine ungeahnte Wendung gab.
»Und was – wenn ich mir die Frage erlauben darf – führt Sie heute in unsere Mitte? Welcher Mission haben wir Ihre werte Gegenwart zu verdanken?«
»Ich bin auf der Suche nach Jack the Ripper.«
Keiner lachte.
Vielleicht waren sie alle so betroffen, wie ich es heute nachmittag gewesen war. Ich schaute nachdenklich von einem zum anderen.
LaVerne Gonnister. Hymie Kralik. Harmlos. Dick Pool. Nadia Vilinoff. Johnny Odcutt und seine Frau. Barclay Melton. Lydia Dare. Einer war so harmlos wie der andere.
Aber warum lächelte Dick Pool so gezwungen? Und was hatte das scheue und dennoch so selbstbewußte Grinsen auf Barclay Meltons Gesicht zu bedeuten?
Aber ich versichere Ihnen, das war alles absurd. Ich sah nur auf einmal diese Leute in einem anderen Licht. Vielleicht schaute ich sie mir in meinem Leben zum erstenmal wirklich an. Was wußte ich schon von ihrem Leben? Im Grunde gar nichts. Ich kannte sie nur auf Parties; aber auch für sie bestand das Leben nicht nur aus Parties …
Wie viele von ihnen mochten ein Doppelleben führen? Wie viele möchten etwas zu verbergen haben?
Wer von ihnen könnte Hekate anbeten und der Mondgöttin Blutopfer darbringen?
Selbst Lester Baston könnte ein Doppelleben führen.
Einen kurzen Augenblick lang waren wir alle der gleichen Stimmung unterworfen. Jeder hatte tausend unausgesprochene Fragen in seinem Blick.
Sir Guy war sich der Situation, die er heraufbeschworen hatte, absolut bewußt, und er schien Gefallen daran zu finden.
Ich hätte etwas darum gegeben, zu wissen, was mit Sir Guy wirklich los war. Seine fixe Idee mit Jack the Ripper mußte doch einen Grund haben. Vielleicht hatte er auch Geheimnisse zu verbergen … Es war schließlich Baston, der die eigentümliche Stimmung zerriß. Er schlug Sir Guy kräftig auf die Schulter und legte seinen Arm um ihn. Dann setzte er zu einer pathetischen Rede an.
»Freunde, laßt euch sagen, daß das Walroß keinen Spaß macht. Unser Vetter aus Großbritannien ist wirklich dem geheimnisumwitterten Jack the Ripper auf der Spur. Ich denke doch, daß ihr alle schon von Jack the Ripper gehört habt. Wenn ich mich recht erinnere, war er zu seiner Zeit ein recht bekannter Halsabschneider …«
Er kicherte, ehe er fortfuhr: »Aus irgendeinem Grunde glaubt unser Walroß hier, daß Jack the Ripper noch am Leben ist und in diesen Tagen mit seinem Pfadfindermesser durch die Straßen Chicagos schlendert. Um genau zu sein –«, Baston legte eine bedeutungsvolle Pause ein, ehe er ein bühnenreifes Flüstern hervorstieß,«– um genau zu sein, hat er Gründe anzunehmen, daß sich Jack the Ripper heute – hier – in unserer Mitte aufhält!«
Das erwartete Kichern und Glucksen der Gäste blieb nicht aus. Baston schaute Lydia Dare bedeutungsvoll an. Dann deutete er mit dem Zeigefinger auf sie und sagte grinsend: »Du brauchst gar nicht so
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