15 Gruselstories
direkte Antwort.
»Offengestanden – nein.«
»Dann darf ich Ihnen vielleicht erklären, weshalb ich annehme, daß Jack the Ripper immer noch am Leben ist …«
»Also gut.«
»Ich beschäftige mich seit dreißig Jahren mit diesem Fall. Ich habe die Tatorte aufgesucht. Ich habe mich bei den maßgebenden Behörden informiert, und ich habe mich mit den Freunden und Bekannten der armen Mädchen, die umgebracht worden sind, unterhalten. Die ganze Nachbarschaft habe ich zusammengetrommelt. Das Material, das ich über Jack the Ripper zusammengetragen habe, dürfte absolut vollständig sein. Keine Theorie oder Ansicht konnte so verrückt sein, daß ich mich nicht mit ihr beschäftigt hätte.
Es ist klar, daß ich mir danach mein eigenes Bild über den Fall gemacht habe. Aber keine Bange – ich werde Sie nicht mit meinen Theorien und Schlußfolgerungen langweilen.
Abgesehen von dem Ripper-Fall interessiert mich jedes unaufgeklärte Verbrechen, jeder nicht geklärte Mordfall. Nennen Sie es ein Hobby oder einen Tick von mir. Wie dem auch sei, ich beschäftige mich seit Jahren mit der Kriminologie.
Ich könnte Ihnen meine Sammlung von Zeitungsausschnitten zeigen. Sie stammen aus den größten Städten der Welt. Shanghai, Kalkutta, San Francisco, Paris, Berlin, Madrid, Kairo, Mailand … um nur einige zu nennen.
Viele der unaufgeklärten Morde haben eines gemeinsam: Soweit es sich bei den Opfern um Frauen handelte, wurden sie mit durchschnittenen Kehlen aufgefunden. Ihre Körper waren grausam verstümmelt. Ich habe intensiv diese blutige Spur verfolgt. Sie führte von New York nach Westen, quer durch den ganzen Kontinent. Dann zum Pazifik, und von dort aus nach Afrika. Während des ersten Weltkrieges verlor sie sich in Europa, danach tauchte sie in Südamerika auf und führte 1930 wieder in die Vereinigten Staaten. Und hier läßt sie sich bis auf den heutigen Tag weiterverfolgen. Im ganzen sind es achtundsiebzig Morde. Jeder geschulte Kriminologe müßte sie für das Werk Jack the Rippers halten.
Erinnern Sie sich an die Schaudergeschichten aus Cleveland, die vor kurzem durch die ganze Presse gingen? Denen zufolge ein weiblicher Torso nach dem anderen aufgefunden wurde? Es war eine grauenhafte Mordserie. Danach folgten jetzt zwei Morde hier in Chicago. Und alle wiesen dieselbe Technik auf. Soll das vielleicht ein Zufall sein? Glauben Sie mir: All diese Morde gehen auf das Konto von Jack the Ripper!«
»Eine lückenlose Theorie«, sagte ich. »Ich will Ihre Beweise und Schlußfolgerungen nicht in Frage stellen, denn Sie sind der Kriminologe, während ich nur ein Psychiater bin. Aber es gibt etwas, was Sie mir noch erklären müssen. Nur eine Kleinigkeit – aber man sollte es doch nicht außer acht lassen …«
»Und das wäre?« fragte Sir Guy. »Wie sollte ein Mann von – sagen wir – fünfundneunzig Jahren in der Lage sein, diese Verbrechen zu begehen? Denn wenn wir davon ausgehen, daß Jack the Ripper 1888 zwanzig Jahre alt war, müßte er heute fünfundneunzig sein.«
Sir Guy Hollis schwieg.
Na also, dachte ich, damit hätten wir ihn wohl …
Aber weit gefehlt!
»Nehmen Sie einmal an, er ist nicht älter geworden«, flüsterte Sir Guy.
»Wie soll ich das nun wieder verstehen?«
»Können Sie sich nicht vorstellen, daß Jack the Ripper nicht älter geworden ist? Können Sie sich nicht vorstellen, daß er heute immer noch ein junger Mann ist?«
»Nun ja«, seufzte ich, »ich werde es mir einen Augenblick lang vorstellen. Danach werde ich die Schwester rufen und Ihnen eine Zwangsjacke anlegen lassen.«
»Ich meine es völlig ernst«, sagte Sir Guy bestimmt.
Ich nickte. »Sie meinen es alle völlig ernst. Das ist ja der Jammer. Sie
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