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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Bloch
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wür­de der ›ro­te Jack‹ wie­der zu­schla­gen? Der gan­ze Ok­to­ber ver­ging, oh­ne daß et­was ge­sch­ah. Aber die Angst war nicht von den Men­schen ge­wi­chen. Je­der Schat­ten im Ne­bel konn­te Jack the Rip­per sein. Er konn­te über­all und zu je­der Zeit auf sein nächs­tes Op­fer lau­ern. Der No­vem­ber kam und mit ihm der rau­he Wind. Lon­d­ons Stra­ßen­mäd­chen zit­ter­ten. Aber sie zit­ter­ten nicht nur vor Käl­te. Sie at­me­ten im­mer er­leich­tert auf, wenn der nächs­te Mor­gen an­brach.
     
    9. No­vem­ber. Sie fan­den sie in ih­rem Zim­mer. Sie lag sehr ru­hig und or­dent­lich auf dem Fuß­bo­den aus­ge­streckt. Und ne­ben ih­ren Kör­per hat­te man eben­falls mit pe­dan­ti­scher Or­dent­lich­keit ih­ren Kopf und ihr Herz ge­legt. Jack the Rip­per hat­te sich selbst über­bo­ten.
    Als die­ser Mord be­kannt wur­de, er­reich­te die Pa­nik ih­ren Hö­he­punkt. Aber die Pa­nik war un­nö­tig. Die Pres­se, die Po­li­zei und die Be­völ­ke­rung war­te­ten vol­ler Ent­set­zen auf die nächs­te Blut­tat – aber Jack the Rip­per schlug nicht mehr zu.
    Mo­na­te ver­gin­gen. Als ein Jahr um war, war zwar die Furcht von den Men­schen ge­wi­chen, aber die Er­in­ne­rung blieb. Man sprach da­von, daß sich Jack nach Ame­ri­ka ab­ge­setzt hät­te. An­de­re woll­ten wis­sen, daß er Selbst­mord be­gan­gen hat. Bis zum heu­ti­gen Ta­ge wird über Jack ge­spro­chen und ge­schrie­ben. Es gibt tau­send Theo­ri­en, Ver­mu­tun­gen, Kom­men­ta­re und Ab­hand­lun­gen. Aber trotz al­lem weiß kein Mensch, wer Jack the Rip­per war. Oder warum er mor­de­te. Oder warum er auf­ge­hört hat, zu mor­den.«
    Sir Guy schwieg. Er er­war­te­te of­fen­sicht­lich ei­ne Äu­ße­rung von mir.
    »Sie ha­ben die Ge­schich­te gut er­zählt«, sag­te ich schließ­lich. »Wenn auch mit ei­nem ge­wis­sen ge­fühls­mä­ßi­gen Vor­ur­teil.«
    »Ich ha­be mir al­le Un­ter­la­gen be­schafft«, sag­te Sir Guy Hol­lis. »Und ich ha­be das gan­ze Ma­te­ri­al sorg­fäl­tig stu­diert.«
    Ich stand auf und tat so, als müß­te ich ein Gäh­nen un­ter­drücken. »Mir hat Ih­re klei­ne Ge­schich­te sehr ge­fal­len, Sir Guy. Ich fin­de es sehr nett von Ih­nen, daß Sie Ih­re Pflich­ten bei der Bri­ti­schen Bot­schaft ver­nach­läs­sigt ha­ben, um einen ar­men Psych­ia­ter mit Ih­ren An­ek­do­ten zu er­freu­en.«
    Er warf mir einen ra­schen Sei­ten­blick zu.
    »Ich neh­me an, Sie wol­len wis­sen, wes­halb mich die­se Ge­schich­te so sehr in­ter­es­siert, nicht wahr?« frag­te er, und sei­ne Stim­me klang et­was hei­ser.
    »Ja, das möch­te ich wirk­lich wis­sen. Wie­so in­ter­es­siert Sie das?«
    »Weil«, er­wi­der­te Sir Guy Hol­lis lang­sam und ließ je­des Wort auf der Zun­ge zer­ge­hen, »weil ich jetzt auf der Spur von Jack the Rip­per bin. Ich glau­be, daß er sich hier auf­hält. Hier, in Chi­ca­go!«
    Ich ließ mich auf den Stuhl fal­len. »Sa­gen Sie das noch ein­mal«, stot­ter­te ich.
    »Jack the Rip­per lebt! Hier in Chi­ca­go! Und ich wer­de ihn fin­den!«
    »Mo­ment – Mo­ment mal«, sag­te ich. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?«
    Er lach­te nicht. Er mach­te kei­nen Spaß.
    »Wann, sag­ten Sie, ha­ben die Mor­de statt­ge­fun­den?« frag­te ich ein­dring­lich.
    »Von Au­gust bis No­vem­ber 1888.«
    »1888? Da man mit Si­cher­heit an­neh­men kann, daß Jack the Rip­per zum Zeit­punkt sei­ner Mor­de ein aus­ge­wach­se­ner Mann war, muß er längst tot sein. Men­schens­kind, selbst wenn er 1888 ge­bo­ren wä­re, müß­te er heu­te fünf­und­sieb­zig Jah­re alt sein!«
    Sir Guy Hol­lis Lip­pen kräu­sel­ten sich zu ei­nem spöt­ti­schen Lä­cheln. »Müß­te er ? Könn­te man nicht ge­nau­so sa­gen: müß­te sie ? Jack the Rip­per kann doch auch ei­ne Frau ge­we­sen sein – oder nicht? Viel­leicht wa­ren es auch meh­re­re Per­so­nen –«
    »Sir Guy«, sag­te ich mil­de. »Sie ha­ben gut dar­an ge­tan, zu mir zu kom­men. Es be­steht kein Zwei­fel, daß Sie die Hil­fe ei­nes Psych­ia­ters brau­chen.«
    »Wer weiß … Ha­ben Sie das Ge­fühl, Mr. Car­mo­dy, daß ich ver­rückt bin?«
    Ich schau­te ihn an und zuck­te die Ach­seln. Aber ei­ne di­rek­te Fra­ge ver­lang­te ei­ne

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