15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Krümmung des Weges blickte ich mich um. Dort stand das halsstarrige Geschöpf immer noch und wedelte mit den Ohren. Kaum aber hatten wir diese Krümmung hinter uns, infolgedessen es uns nicht mehr zu sehen vermochte, so setzte es sich in Bewegung, und zwar in einem solchen Galopp, daß das Sattelgestell, auf welchem Albani auf und nieder flog, in allen Fugen krachte. Und da es nun einmal im Laufen war, so blieb es auch nicht wieder halten, sondern es rannte an uns vorüber und weiter, immer weiter fort.
Das wirkte ansteckend. Das Packtier, welches der Besitzer am Leitzügel führte, riß sich plötzlich los und lief hinter dem Ausreißer her; wir natürlich ihm nach. Doch mußten wir bald halten, um die Gegenstände aufzulesen, welche vom Packsattel herabgeschleudert worden waren. Als wir dann Albani erreichten, saß er wieder an der Erde und rieb sich diejenige Körpergegend, welche eigentlich in den Sattel, aber nicht auf den Erdboden gehörte. Die beiden Tiere standen dabei, schwangen die Schwänze, wirbelten die Ohren und fletschten die Zähne. Man hätte denken mögen, daß dies ein höhnisches, schadenfrohes Lächeln vorstellen solle.
Die abgeworfenen Sachen wurden wieder befestigt. Albani stieg auf, und es ging weiter. Aber noch keine halbe Stunde war vergangen, so blieb die liebe Kreatur wieder stehen und wollte nicht von der Stelle.
„Es wird nachkommen. Reiten wir weiter“, meinte der Herr und Gebieter.
Ich hatte bisher geschwiegen; jetzt aber sagte ich zu ihm:
„Wünschest du etwa, daß das Packtier wieder durchgehen soll? Wenn sich das wiederholt, so werden wir weit kommen. Er mag die Peitsche nehmen.“
„Das dulde ich nicht.“
„So, so! Was hat dieser Herr zu dir gesagt, als er die Tiere mietete?“
„Er hat zwei Pferde oder Maultiere verlangt, eins zum Reiten und das andere für das Gepäck.“
„Schön, sehr schön! Er hat also nicht ausdrücklich dasjenige Tier verlangt, welches du ihm gegeben hast?“
„Nein.“
„Nun, so steige ab, und tausche mit ihm!“
Er machte ein höchst verwundertes Gesicht. Er schien meinen Vorschlag für ganz unbegreiflich, für unsinnig zu halten.
„Was meinst du? Ich soll ihm hier dieses Tier geben? Das ist ja mein!“
„Das andere ist auch dein, verstanden?“
„Aber ich reite nur auf diesem da, sonst auf keinem andern.“
„So wirst du aber jetzt einmal eine Ausnahme machen. Dieser Herr hat ein Tier für das Gepäck und eins zum Reiten verlangt. Zum Reiten gehört auch ein Reitsattel. Es gibt aber bei dir nur einen solchen, in diesem sitzt du. Wer ein Reittier bezahlt, muß es auch bekommen. Du wirst also mit ihm tauschen.“
„Das fällt mir nicht ein!“
„Aber mir fällt es ein!“ antwortete ich mit erhöhter Stimme. „Ich habe den Ferman des Großherrn; dieser Herr ist jetzt mein Begleiter; er steht unter meinem Schutz, also auch unter demjenigen des Padischah. Wenn ich dir einen Befehl erteile, so hast du einfach zu gehorchen. Also heraus aus dem Sattel!“
Albani stieg wieder ab; der andere aber sagte:
„Er hat zwei Tiere verlangt, und er hat sie erhalten. Ich lasse mir nichts befehlen!“
„Halef!“
Der kleine Hadschi hatte schon längst, mit der Hand am Peitschenstiel, auf diese Aufforderung gewartet. Kaum war das Wort ausgesprochen, so sauste die Nilpferdpeitsche dem Ungehorsamen auf den Rücken nieder, und zwar so gewaltig, daß er, laut schreiend, aus dem Sattel sprang. Er erhielt noch einige Hiebe und hatte nun gar nichts mehr gegen den ‚Umzug‘ zu bemerken. Man muß die Leute nach ihrer rechten Art zu behandeln wissen.
Natürlich war Albani ganz einverstanden mit der eingetretenen Veränderung; er hatte Vorteil davon, aber leider wir anderen nicht, denn bis wir den nächsten Ort erreichten, war das eine Maultier zweimal mit seinem Herrn und das andere noch einmal mit dem Gepäck durchgegangen. Zum Glück fanden wir dort einen Pferdebesitzer, welcher bereit war, uns aus der Verlegenheit zu ziehen. Der andere wurde abgelohnt. Er rief uns, als wir fortritten, noch allerlei Drohungen nach, aus denen wir uns aber nichts machten.
Wollten wir die gerade Richtung nach Menlik einhalten, so hätte uns der Weg nach Boltischta geführt. Aber der gerade Weg ist nicht stets der kürzere. Es lagen uns da eine Menge Höhen und Quertäler im Wege. Um die unausbleiblichen Beschwerden und Zeitversäumnisse zu vermeiden, bogen wir nach Norden ab, damit wir über die Kruschemahöhe hinweg das Tal des Domus oder Karlyk
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