15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
seid!“
„Würden wir zu dir kommen, wenn wir Feinde wären?“
„Du hast recht.“
„Oder hätten wir die Koptscha?“
„Nein. Du hättest die deine am allerwenigsten; ich kenne sie genau.“
Das klang gefährlich. Ich ließ mir aber keine Verlegenheit merken und antwortete:
„Woher kennst du sie?“
„Sie ist ein klein wenig anders als die gewöhnlichen; es ist die Koptscha eines Anführers. Sie war das Eigentum meines Bruders Deselim.“
„Ah, du bist der Bruder des Wirtes hier?“
„Ja.“
„Das ist mir sehr lieb. Ich habe die Koptscha von ihm.“
„So bist auch du ein Anführer und hast mit ihm getauscht. Freunde tauschen die Koptschas. Wo hast du ihn getroffen?“
„Bei Kabatsch im Walde, in der Hütte des Bettlers Saban.“
„Er wollte doch eigentlich nicht dorthin!“
„Nein, er wollte zu dem Bäcker und Färber Boschak in Dschnibaschlü. Dort war ich als Gast eingekehrt.“
„Und wo ist mein Bruder jetzt?“
„Noch in Kabatsch.“
„Darf ich wissen, wer und was du eigentlich bist? Es gibt viele und verschiedene Effendis.“
„Ich will dir nur ein Wort sagen, und dann wirst du wissen, wie du mich zu beurteilen hast, das Wort Usta.“
Es war das nur ein Versuch, den ich machte, er gelang vollständig. Der Mann machte eine Gebärde freudiger Überraschung und sagte:
„Ja, das genügt. Ich will weiter nichts wissen.“
„Daran tust du klug; ich bin nicht gewöhnt, mich ausfragen zu lassen.“
„Womit kann ich dir dienen?“
„Sage mir zunächst, ob Manach el Barscha hier bei dir eingekehrt ist.“
„Er war da mit zweien.“
„Wann?“
„Er blieb eine Nacht hier und ist gestern um die Mittagszeit wieder aufgebrochen.“
„So ist er sehr scharf geritten. Er war auch bei deinem Verwandten, dem Kiaja von Bu-kiöj, eingekehrt und hatte da ein Pferd umgetauscht.“
„Warst du bei dem Kiaja?“
„Ja. Nimm viele Grüße von ihm. Manach el Barscha ist nach Menlik. Weißt du vielleicht, wo er dort zu finden ist?“
„Ja; er hat uns seine Adresse gegeben, weil mein Bruder auch nach Menlik will. Es wohnt dort ein reicher Fruchthändler namens Glawa. Bei ihm steigt er ab. Es wird dir jedermann sagen, wo er wohnt.“
„Hat Manach el Barscha nach dem Schut gefragt?“
„Ja. Er will zu ihm.“
„Und ich auch.“
„So werdet ihr miteinander reiten.“
„Das denke ich; aber Allahs Wege sind wunderbar, und die Ereignisse kommen oft nicht so, wie wir es denken. Vielleicht reist Manach eher ab, als ich ihn erreiche. Da wäre es mir lieb, zu wissen, wo der Schut zu finden ist.“
„Das will ich dir sagen. Wenn du von Menlik nach Istib reitest und auf dieser Straße Radowitsch erreichst, so mußt du von diesem Orte aus grad nordwärts reiten und wirst nach dem Orte Sbiganzi kommen. Er liegt zwischen den Wassern der Bregalnitza und der Sletowska. Dort wohnt der Fleischer Tschurak. Diesen fragst du nach der Schluchthütte; er wird dir Antwort geben. Und kommst du dann zu dieser Hütte, so kannst du über den Schut alles erfahren, was du willst und was ich heute nicht weiß.“
„Ich dachte, ich würde den Pferdehändler Mosklan in Palatza treffen, aber er war nicht dort.“
„Wie, du kennst Mosklan?“
„Ich kenne diese Leute alle. Er ist der Bote des Schut.“
„Auch das weißt du? Effendi, ich sehe, daß du ein hervorragendes Mitglied des Bundes bist. Du gibst uns die große Ehre, bei uns einzukehren. Befiehl über mich nach deinem Wohlgefallen; ich bin zu jedem Dienst bereit.“
„Ich danke dir! Ich brauchte nichts als die Auskunft, welche ich von dir erlangt habe, und nun laß uns zur Ruhe gehen.“
„Wann wirst du uns verlassen?“
„Morgen früh nach Anbruch des Tages. Du brauchst uns aber nicht zu wecken; wir erwachen zur rechten Zeit.“
Nach einem freundlich herablassenden Gruß gingen wir weiter.
„Sihdi“, sagte Halef unterwegs leise, „da haben wir ja alles erfahren, was wir wissen wollten. Er hielt dich für einen großen Spitzbuben und mich für deinen Freund und Verbündeten. Es gibt Menschen, welche anstatt des Gehirnes Eierkuchen im Kopfe haben. Wüßte er, daß sein Bruder den Hals gebrochen hat und daß du Mosklan die Zähne zerschlagen hast, so würde er wohl unterlassen haben, uns eine so glückliche Nacht zu wünschen.“
„O lieber Halef, wir wollen nicht triumphieren. Ist es nicht möglich, daß auf irgendeine Weise die Kunde von dem Geschehenen noch während der Nacht hier anlangt?“
„Fi amahn-Allah – Gott schütze
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