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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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regelmäßig.“
    „Bist du nicht hinausgeeilt?“
    „Nein. Wie könnte ich das tun! Der Anblick eines Vampirs kostet das Leben.“
    „Nun, so wollte ich, sie käm heute!“
    „Heute ist Mittwoch, und mittwochs ist sie meist gekommen.“
    „Schön! Ich werde sie fragen, warum sie dich nicht schlafen läßt.“
    „Herr, das wäre toll! Ich würde noch eine Leiche zu begraben haben.“
    „Das ist möglich.“
    „Nämlich dich!“
    „Schwerlich! Doch schließen wir jetzt unsere Unterredung. Ich höre meine Gefährten sprechen. Sie haben nun gegessen und suchen mich.“
    „Du wirst ihnen doch nichts erzählen?“
    „Nur dem kleinen Hadschi werde ich es erzählen. Er wird mir helfen, den Vampir zu kurieren.“
    „Herr, ich bitte dich auf das innigste, sei nicht unbesonnen! Du opferst töricht dein Leben!“
    „Ich werde im Gegenteil sehr besonnen sein. Ich habe mich bereits viele Jahre lang gesehnt, ein Gespenst zu sehen, und würde mich sehr freuen, wenn dieser Wunsch heute in Erfüllung ginge.“
    „Ich höre, daß du keine Angst hast, und ich errate den Grund davon. Wirst du vielleicht die Güte haben, mir den Zauber zu zeigen, den du besitzt?“
    „Ja, gern. Hier ist er.“
    Ich hielt ihm die geballte Faust vor das Auge.
    „Mach die Hand auf, daß ich ihn sehe!“
    „Sieh hier! Es befindet sich nichts in der Hand. Die Faust ist der Talisman; das meine ich.“
    Wir sprachen nicht weiter, denn wir waren mit den andern zusammengetroffen. Wir führten vor dem Haus noch eine kurze Unterhaltung, während welcher ich dem darüber ganz glücklichen Kerpitschi meinen Tabak zu kosten gab, und dann sagten wir ihm und seinem Weib gute Nacht. Beide waren nicht wenig erstaunt, als sie hörten, daß wir uns oben am Grab zu Ruhe legen wollten. Sie protestierten auf das eifrigste dagegen, hatten aber keinen Erfolg. Wo ein müdes Menschenkind für immer schläft, darf man sich ohne Sorge für eine kurze Nacht zur Ruhe legen.
    Osco und Omar stiegen hinauf; ich aber blieb mit Halef noch unter dem Vorwand, nach den Pferden sehen zu wollen.
    „Sihdi, du hast etwas Geheimes, was diese beiden nicht wissen sollen?“ meinte der Kleine.
    „Ja. Hast du einmal ein Gespenst gesehen, Halef?“
    „Es soll allerlei Dschins geben, in der Wüste und in den Wäldern, auf den Bergen und in den Tälern; aber gesehen habe ich noch keinen Geist.“
    „Du irrst. Du hast einen gesehen.“
    „Wo?“
    „Im Land der Kurden, den Höhlengeist.“
    „Du meinst Marah Durimeh? Die war ein gutes Weib, aber kein böser Dschin. Einen richtigen Dschin möchte ich jedoch gern einmal sehen.“
    „Ich weiß einen.“
    „Wo?“
    „Hier. Es kommt des Abends ein Gespenst durch die Luft gefahren und klopft da an den Laden.“
    „O Wunder! Denkst du, daß es auch heute kommt?“
    „Ich weiß es nicht, aber ich wünsche es.“
    „Ich auch. Wir könnten diesen Geist fragen, ob er einen Paß des Großherrn bei sich hat. Wollen wir?“
    „Ja. In einer halben Stunde ist die Zeit, in welcher er zu kommen pflegt. Kommt er nicht, so versäumen wir nur diese wenigen Minuten.“
    „Wo erwarten wir ihn?“
    „Hier am Bach, hinter den Büschen da liegen wir bequem im Gras und haben das Haus so nahe, daß wir es mit fünf Schritten erreichen können. Wir warten, bis er gehen will, und fassen ihn dann von zwei Seiten her.“
    „Gebrauchen wir die Waffe, wenn er sich wehrt?“
    „Das wollen wir vermeiden. Wir zwei werden doch wohl ein einziges Gespenst festhalten können!“
    „Ganz richtig! Eigentlich brauche ich dich gar nicht dazu. Ich bin dein Freund und Beschützer. Du könntest dich ganz ruhig schlafen legen.“
    Bei diesen Worten kroch er hinter den einen Busch. Ich legte mich nur eine kurze Strecke davon hinter den andern. Eigentlich tat ich das nur so pour passer le temps. Ich war fest überzeugt, daß der Vampir nicht kommen werde. Daher dachte ich auch gar nicht an die nötige Vorsicht und fragte auf die Entfernung von mehreren Metern den Hadschi nach seinem Brustschmerz und bat ihn, sich zu schonen, falls es zum Handgemenge käme.
    „Sei still, Sihdi!“ antwortete er. „Wer einen Dschin fangen will, der darf ihn nicht durch lautes Sprechen warnen. Das sollst du jetzt hier von mir lernen.“
    Natürlich leistete ich diesem Befehl Gehorsam. Der Kleine hatte recht. Lagen wir einmal da, so mußten wir die Sache auch ernst nehmen. Und ernst war sie ja auf alle Fälle. Ich hatte von diesem Vampir-Aberglauben viel gehört und viel gelesen. Jetzt

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