15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
die Luft gesaust und klopft an unsern Laden.“
„Als Fledermaus? Da klopft sie?“
„Das weiß ich nicht. Ich habe sie nur gehört, aber nie gesehen. Doch andere haben sie als Fledermaus gesehen, und nun liegt ihr Verlobter todkrank und muß sterben.“
Da stieg mir eine Ahnung auf. Ich fragte:
„Meinst du etwa, daß sie ein Vampir sei?“
„Ja, das ist sie!“
„Mein Gott! Das ist ja noch schrecklicher, als ich dachte!“
„Nicht wahr? Ich sterbe noch vor Kummer!“
„Ja, stirb vor Kummer! Aber vor Kummer über deine Dummheit! Verstanden?“
Das war hart; aber nicht jede Medizin schmeckt süß. Er saß weinend neben mir; ich hatte das herzlichste Mitleid mit ihm. Der Aberglaube ist in jenen Provinzen so tief eingedrungen, daß man starke Mittel braucht, wenn man gegen ihn kämpfen will. Übrigens wollte ich nur wenige Stunden hierbleiben und hatte also gar keine Zeit zu breiten Auseinandersetzungen.
„Herr, ich hatte Trost von dir erwartet“, sagte er, „nicht aber solchen Spott!“
„Ich spotte deiner nicht, sondern ich bin entrüstet über deinen schlimmen Aberglauben. Geh zu deinem Popen und frage ihn. Er wird dir sagen, welch eine Sünde es ist, zu glauben, daß deine Tochter ein Vampir sei.“
„O, ich war ja bei ihm!“
„Nun, was sagte er denn?“
„Dasselbe was er zu Wlastan gesagt hat, der auch bei ihm gewesen ist.“
„Wer ist denn dieser Wlastan?“
„Mein bester Freund früher, jetzt aber mein ärgster Feind. Sein Sohn war der Verlobte meiner Tochter. Jetzt steht sie aus ihrem Grab auf und saugt ihm das Blut aus dem Leib, so daß er langsam hinsiecht und sterben muß.“
„Hm! Also ist er bei dem Popen gewesen! Was hat dieser zu ihm gesagt?“
„Er hat zugegeben, daß meine Tochter ein Vampir sei.“
„Unmöglich! Ist sie denn ohne Beichte und Absolution gestorben? Man sagt, daß dies bei einem Vampir immer der Fall sei.“
„Leider war es so. Der Pope wohnt weit von hier und konnte nicht kommen. Und in Tekirlik durfte ich die Leiche nicht begraben – der Pocken wegen.“
„Ist deine Tochter an dieser Krankheit gestorben?“
„Ja. Es gab damals hier mehrere Blatternkranke. Meiner Tochter war unwohl; Kopfschmerz und konnte nicht essen. Sie ging hinauf zu Wlastan, um dessen Frau, die ihre Schwiegermutter werden sollte und die Pocken hatte, zu pflegen. Sie kam bald wieder nach Hause. Sie hatte Fieber; es mußte ihr etwas geschehen sein; sie tat so entsetzt, so erschrocken; ich habe aber den Grund nicht erfahren können. Sie sagte im Phantasieren nur immer, daß der Sohn Wlastans, ihr Bräutigam, sterben müsse. Dann brachen die Pocken aus, und sie starb; aber noch vor ihrem Tod sagte sie, daß er sterben müsse. Nun ist sie ein Vampir und holt ihn zu sich, wenn man nicht das Mittel des Popen in Anwendung bringt.“
„Welches Mittel ist es?“
„Man muß ihr Grab öffnen und ihr einen spitzen, geweihten Pfahl, welcher mit dem Fett eines acht Tage vor Weihnachten geschlachteten Schweines bestrichen ist, in das Herz stoßen.“
„Schrecklich, schrecklich! Auch daran glaubst du, daß das Mittel hilft?“
„Ja. Aber ich gebe die Erlaubnis nicht dazu. Der Pope mag kommen und bei dem Kranken wachen; dann kann ihr Gespenst nicht zu ihm. Geschieht dies zwölf Nächte lang, so kommt sie nicht wieder und ist erlöst. Wird sie aber im Grab gespießt, so fällt sie dem Teufel anheim. Es soll entsetzlich sein, wie so ein Vampir schreit und gute Worte gibt, wenn er gespießt werden soll. Das geschieht stets um Mitternacht. Der Leib des Vampirs verwest nämlich nicht. Er liegt im Grab so warm und rot, als ob er am Leben sei. Weil ich das Grab meiner Tochter nicht öffnen lassen will, ist Wlastan mein Todfeind geworden.“
„Was ist dieser Mann?“ fragte ich.
„Er ist Ziegelbrenner und Dachziegelbrenner, während ich nur Luftziegelstreicher bin. Wir stammen beide aus der Gegend von Drenowa und kamen hierher, um die Lehmgruben zu pachten. Er war wohlhabend, und ich bin arm; aber er war nicht stolz, und sein Sohn wollte mein Schwiegersohn werden. Nun ist das alles aus.“
„Wohnt er weit von hier?“
„Eine Viertelstunde am Bach hinauf.“
„Ich werde ihn morgen früh aufsuchen und ihm meine Meinung sagen. Ihr seid alle beide unglaublich dumm!“
„Dann war der Pope ja auch dumm?“
„Vielleicht ist er noch mehr als das. Aber sag: kommt deine Tochter denn an bestimmten Tagen durch die Luft geflogen, um an deinen Laden zu klopfen?“
„Sie kommt nicht
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