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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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galt es günstigenfalls eine Tat, so einem gespensterhaften Blutsauger hinter die Flughäute zu schauen und die beiden braven Wirtsleute von ihrer Angst und ihrem Kummer zu heilen. Es lag ja jedenfalls eine Täuschung vor.
    So warteten wir weit über eine halbe Stunde. Schon wollte ich fortgehen, da kam es geschlichen, schnell und völlig geräuschlos, von der Seite her, an welcher ich mich befand. Es war eine dunkle, männliche Gestalt, die mit gewandten Bewegungen hin an den Laden glitt und da einen Augenblick horchte. Dann brachte der Kerl jenes sausende Geräusch hervor, welches ich einmal im Wiener Wurstelprater gehört hatte, als im Kasperltheater der Teufel den Doktor Faust holte. Man pfeift nämlich laut, läßt den Ton schwellen und wieder sinken und summt dabei nach Kräften. Das klingt grad so, als ob ein hohler Wind um eine scharfe Felsenecke pfeife. Dann tat der Mensch zwei, drei kräftige Schläge gegen den Laden und wollte dann schleunigst fort. Da aber erklang Halefs Stimme:
    „Dur, gizli jürümdschi, schimdi seni bizim-war – halt, Schleicher, jetzt haben wir dich!“
    Er sprang auf ihn ein, um ihn festzunehmen. Der Geist war als Geist sehr geistesgegenwärtig. Er versetzte dem Kleinen einen Hieb ins Gesicht und rief:
    „Eredj a tatárba!“
    Damit sprang er davon.
    Hätte der Kleine den Mund gehalten und nicht vor der Zeit gerufen, so wäre es anders gekommen. Der Mensch floh nach der mir entgegengesetzten Seite, so daß er also mehr als die ganze Hausbreite Vorsprung vor mir hatte. Dennoch aber rannte ich ihm nach und herrschte dem Hadschi im Vorüberspringen einen zornigen Tölpel zu. Der auf diese Weise Bestrafte kam mir eiligst nach.
    Der Fliehende war ein guter Läufer. Hier galt es sich gleich den ersten Augenblicken tüchtig anzustrengen. Ich hatte bei den Indianern gelernt, mehr mich fortzuschnellen, anstatt zu springen, und kam ihm rasch so nah, daß ich schon die Hand nach ihm ausstreckte. Aber auch jetzt verließ ihn die Geistesgegenwart nicht. Er schoß mit einer raschen Bewegung vom Weg ab und ich an ihm vorüber, da ich mich eben mit beiden Beinen in der Luft befand. Natürlich wendete ich mich augenblicklich um. Er eilte quer über den Bach hinüber; fast hatte er den Rand erreicht. Ich holte aus, mit einem mächtigen Satz hinüber zu kommen. Es gelang. Ich faßte gleich hinter ihm Fuß und griff zu gleicher Zeit nach ihm. Ich hatte ihn am Gürtel erwischt und stemmte mich mit dem einen Fuß ein, um ihn niederzureißen.
    „Az istenért!“ entfuhr es ihm. Hatte er den Gürtel blitzschnell gelockert, oder war derselbe nicht fest gebunden, ich hielt den Fetzen in der Hand und taumelte infolge meiner eigenen Kraftanstrengung zurück; der Geist aber schoß in die Büsche hinein, wohin ich ihm nun gar nicht folgen brauchte.
    „Hast du ihn?“ fragte hinter mir Halef, der sich eben auch zum Sprung anschickte.
    „Nein; aber dich werde ich sogleich haben, und zwar bei den Ohren! Gestern brichst du mir durch den Taubenschlag, und heute jagst du mir diesen Menschen durch dein unzeitiges Schreien fort!“
    „Sihdi, das war die reine Begeisterung! Der Kerl ist wirklich nur aus Angst davongelaufen!“
    Das war so drollig, daß ich trotz des Ärgers lachen mußte.
    „Natürlich aus Angst und nicht aus Verwegenheit! Nun kannst du dir ihn suchen, wenn du ihn nach dem Paß des Großherrn fragen willst!“
    „Wir werden beim Anbruch des Tages seine Spur finden.“
    „Ja, grad dann, wenn wir von hier aufbrechen müssen.“
    „Du hast doch wenigstens etwas von ihm. Was ist es?“
    „Ein alter Lappen, wie es scheint, den er als Gürtel umgebunden hatte.“
    „Hast du verstanden, was er sagte?“
    „Ja; es war ungarisch. Ich werde den Ziegelstreicher fragen, ob er hier einen weiß, der diese Sprache spricht. Hier in dem Gürtel steckt etwas. Wollen einmal sehen, was es ist.“
    Ich hatte nämlich in dem Stückchen Lappen etwas gefühlt, welches ein runder Gegenstand mit einem Stiel zu sein schien. Ich zog dieses Ding hervor und wollte es gegen den Himmel emporhalten, um sehen zu können, was es sei. Aber der durchdringende Geruch, welcher mir von ihm entgegenströmte, bewies mir auch ohne allen Augenschein, daß ich eine alte, ganz und gar von Tabakssaft durchtränkte Stummelpfeife in der Hand hatte.
    „Was ist es?“ fragte Halef.
    „Eine Tabakspfeife.“
    „Allah 'l Allah! Rauchen die Gespenster Tabak?“
    „Zuweilen, wie es scheint, und zwar nicht die beste Sorte.“
    „Zeig her!“

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