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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihre Gewehre in der Hütte gelassen und konnten also nur mit den Messern Widerstand leisten.
    Sie waren verblüfft – sowohl von seinen Worten, wie auch von der Haltung, welche er gegen sie annahm. Sie glaubten wohl, daß es sich um einen Scherz handele, denn der Ismilaner sagte lachend:
    „Wie? Uns willst du erschießen, Kleiner? Wenn du dir einen Spaß machen willst, so sinne dir etwas Besseres aus! Du bist ein sehr guter Schütze; uns aber würdest du doch nicht treffen, so nahe wir dir auch stehen!“
    Halef steckte einen seiner Finger in den Mund und ließ einen lauten, schrillen Pfiff hören. Dann antwortete er:
    „Spaß? Wer sagt euch, daß ich nur Spaß mache? Seht einmal dort hinüber! Da stehen zwei, die euch zeigen wollen, daß es mein Ernst ist.“
    Er zeigte nach dem der Hütte gegenüberliegenden Rand der Lichtung. Ich folgte mit dem Blick. Dort standen in einiger Entfernung voneinander Osco, der Montenegriner, und Omar Ben Sadek, der Sohn des Führers, mit schußfertig an die Wangen gelegten Gewehren. Sie hatten sich also versteckt gehabt, und Halefs Pfiff war ein Zeichen für sie gewesen, hinter den Bäumen hervorzutreten.
    „Dschümle bütün schejtanlar – bei allen Teufeln!“ entfuhr es dem Waffenschmied. „Wer sind diese Menschen? Was wollen sie von uns?“
    „Sie wollen die Leiche, welche dort in der Hütte liegt.“
    „Was geht sie der Tote an?“
    „Sehr viel. Der Tote ist nicht ein Verwandter dieses Bettlers, sondern er ist unser Anführer und Freund. Ihr habt ihn getötet, und wir sind gekommen, euch den Lohn dafür zu geben.“
    Sie griffen nach ihren Messern. Er aber sagte:
    „Laßt die Messer stecken; sie helfen euch nichts. Ich habe in diesem Gewehr noch achtzehn Schüsse, und beim ersten Schuß, den ich abgebe, schießen auch die beiden dort. Ihr seid Leichen, ehe ihr an mich kommt!“
    Er sagte dies in einem so entschlossenen, drohenden Ton, daß sie von seinem Ernst überzeugt sein mußten. Sie standen nur zehn bis fünfzehn Schritte von ihm entfernt. Er hielt den Gewehrlauf auf sie gerichtet. Wenn sie sich schnell auf ihn warfen, konnte er nur einen einzigen treffen; aber dieser eine wollte keiner von ihnen sein.
    Sie blickten sich einander grimmig und verlegen an. Dann fragte der Ismilaner:
    „Wer ist denn der Mann, den du euern Freund und Anführer nennst?“
    „Er ist ein noch viel besserer Schütze und Jäger, als ich. Er ist unverwundbar, und selbst wenn er getötet würde, so käme seine Seele wieder in die Leiche zurück. Wenn ihr dies nicht glaubt, so blickt nach der Hütte hin!“
    Sie wandten sich nach der angegebenen Richtung. Dort stand ich jetzt unter dem Eingang, mit erhobenem Gewehr. Sie erschraken. Osco aber und Omar ließen einen Ruf der Freude hören.
    „Seht ihr nun, daß ihr verloren seid, wenn ihr euch einfallen ließet, Widerstand zu leisten?“ fuhr Halef fort.
    „Vaj! Bizim tüfenkler war isa idik – ha! Wenn wir unsere Gewehre hätten!“ rief der Waffenschmied.
    „Ihr habt sie aber nicht. Und wenn ihr sie hättet, würden sie euch nichts nützen. Ihr befindet euch in unserer Gewalt. Wenn ihr euch freiwillig ergebt, werden wir gnädig mit euch sein.“
    „Wie kannst du feindselig gegen uns auftreten, da du doch den Knopf hast?“
    „Ihr habt meinem Gefährten nach dem Leben getrachtet. Aber daß ich die Koptscha besitze, mag euch überzeugen, daß ihr auf Nachsicht rechnen könnt, wenn ihr euch ergebt. Tretet in die Hütte. Dort wollen wir weiter sprechen.“
    Der Ismilaner ließ den Blick nach dem Gebäude herübergleiten. Ich glaubte ein schnelles Aufleuchten zu bemerken, welches über sein Gesicht glitt.
    „Ja“, sagte er. „Treten wir in die Hütte. Dort wird sich alles aufklären. Ich bin unschuldig. Als ich kam, war der Fremdling bereits tot, wie wir glaubten. Geht hinein! Kommt, kommt!“
    Er schob die andern vor sich her. Halef ließ das erhobene Gewehr sinken, und ich trat schnell zurück, um mich der Gewehre dieser Leute zu bemächtigen. Ich raffte sie zusammen und trug sie nach der Ecke. Ich beabsichtigte, dorthin keinen gehen zu lassen.
    Noch mit den Gewehren beschäftigt, sah ich sie eintreten, vorne den dicken Färber-Bäcker mit einem wahren Armensündergesicht. Eben war ich im Begriff, von dem letzten Gewehr das Zündhütchen zu nehmen, als ich einen Schrei hörte. Draußen fielen zwei Schüsse; die Kugeln prallten an die Mauer, und zugleich hörte ich Halef rufen:
    „Sihdi, Sihdi, heraus, heraus!“
    Natürlich mußte

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