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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beurteilt wird. Kann man sich da wundern, wenn man, falls von einem Christen die Rede ist, allüberall die stehenden, verächtlichen arabischen Worte hört: „Hascha  naßrani – Gott bewahre, ein Christ?“
    Die Frau rührte noch immer. Ihre Unterlippe hing weit herab, und davon tropfte es in den Milchkübel hinein. Ich wendete mich ab und blickte zu einem der Löcher hinaus, welche hier Fenster genannt werden. Draußen begann die Sonne ihr wärmendes Tagewerk. Hier innen aber war es dunkel und räucherig. Ich dachte an den persischen Dichter Hafiz:
    „Wenn deiner Locken Wohlgerüche
ums Grab mir wehen einst,
so blühen viele tausend Blumen
aus meinem Hügel auf.“
    Ob wohl jenes weibliche Wesen, auf welches er diese Worte dichtete, eine Ähnlichkeit mit der sauren Milchküblerin vor mir gehabt haben mag? Und Wohlgerüche! Brrr!
    Ich stand auf, um hinauszugehen und frische Luft zu schöpfen, so frisch sie eben da draußen im Hof zu finden war. Meines Bleibens konnte hier nicht lange sein. Das stand so fest wie eine kalifornische Balsamfichte.
    Eben tat ich den ersten Schritt zur Stube hinaus, da ertönte draußen ein schriller, lang gezogener Schrei. Im Nu war ich vor der Haustür. Ein zweiter, ebenso gräßlicher Schrei, und ich sprang über den Hof hinüber nach der Ecke, in welcher man wirklich jene weibliche Person an die Leiter befestigt hatte.
    Sie trug nur den Rock. Mit der vorderen Seite ihres Körpers an der Leiter, bot sie den bloßen Rücken der Peitsche dar, welche einer der Kerle zum dritten Hieb schwang. Ehe er schlagen konnte, hatte ich sie ihm aus der Faust gerissen.
    Der Rücken der Gezüchtigten zeigte zwei breite, blutige Striemen, die sicherlich bald aufspringen mußten. Der Wirt stand dabei mit der Miene eines Gesetzgebers, der sich an dem Gehorsam weidet, welchen seine Befehle finden. Er trat auf mich zu und streckte die Hand nach der Peitsche aus, indem er mich anschrie:
    „Mensch, was fällt dir ein? Die Peitsche her! Sie gehört mir, nicht aber dir!“
    Ich befand mich im höchsten Zorn über diese schandbare Art, ein Frauenzimmer zu züchtigen. Sie mochte meinetwegen getan haben, was sie wollte; so aber sollte sie in meiner Gegenwart nicht geschlagen werden. Ich fühlte, daß mein Gesicht glühend rot war, und fragte den Wirt mit erhobener Stimme:
    „Was hat dieses Mädchen getan?“
    „Das geht dich nichts an!“ erwiderte er trotzig.
    „Oho! Ist sie deine Tochter?“
    „Was hast du zu fragen? Her mit der Peitsche, sonst bekommst du sie selbst!“
    „Was? Mir das, Bursche? Mir die Peitsche? Da – meine Antwort!“
    Ich zog sie ihm über den Rücken herüber, daß er sich augenblicklich zusammenkrümmte; aber er warf sich mir auch sofort entgegen, und zwar mit solcher Kraft, daß er zu Boden flog, weil ich rasch zur Seite wich.
    „Nicht anrühren, sonst bekommst du die Peitsche ins Gesicht!“ drohte ich.
    Er sprang trotzdem, als er sich aufgerafft hatte, wieder auf mich los. Ich wich nicht wieder zurück, sondern ich erhob den rechten Fuß und empfing ihn mit einem Tritt in die Magengegend. Dabei muß man sehr fest stehen, nach vorn gebeugt, sonst stürzt man selbst hin. Er flog wieder in den Schmutz des Hofes, hatte aber nun genug, denn er konnte nur mit Mühe aufstehen. Er wollte reden, brachte aber nur ein haschendes Wimmern hervor und hinkte nach der Stube, ohne mir auch nur einen einzigen Blick zuzuwerfen.
    Das war für mich genug. Das war schlimmer, als wenn er die fürchterlichsten Drohungen gegen mich ausgesprochen hätte. Ich ging zu meinem Rappen, nahm den Stutzen und kehrte dann zur Leiter zurück. Dort sah ich zunächst, ob mich ein Schuß aus irgendeinem der Fenster treffen könnte. Das war nicht möglich. Nun stellte ich mich so, daß ich stets einen der Männer zwischen mir und der Tür hatte.
    „Bindet sie los!“ befahl ich den Knechten.
    Es hatte mich schon gewundert, daß sie keine Hand gerührt hatten, um ihrem Herrn zu helfen. Sie gehorchten sofort.
    „Zieht sie an!“
    Die Gezüchtigte konnte die Arme kaum bewegen, so fest waren sie ihr angebunden gewesen, und so sehr schmerzten die Schwielen auf ihrem Rücken.
    „Warum wurde sie geschlagen?“ fragte ich.
    Es standen drei Frauenzimmer und vier Mannspersonen da, immer einer roher aussehend als der andere.
    „Der Herr hat es befohlen“, antwortete einer.
    „Warum?“
    „Weil sie gescherzt hat.“
    „Mit wem?“
    „Mit dem Fremden.“
    „Ist sie verwandt mit dem Herrn?“
    „Nein; sie ist

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