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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Magd.“
    „Woher?“
    „Aus einem Dorf in der Nähe.“
    „Hat sie Verwandte?“
    „Eine Mutter.“
    „Und er wagt es, sie schlagen zu lassen, nur weil sie mit einem Fremden freundlich war?“
    Dieses Thema, an jedem andern Ort zart, hatte hier gar nichts Mimosenhaftes an sich. Das Mädchen hatte sich übrigens augenblicklich hinter eine nahe Tür zurückgezogen.
    „Ja, sonst hat sie nichts getan“, antwortete der Betreffende. „Der Herr ist sehr streng, und heute früh schon war er ungewöhnlich wild.“
    In diesem Augenblick kam der Genannte wieder auf den Hof. Er hatte eine lange türkische Flinte in den Händen. Er schien sich von meinem Fußtritt leidlich erholt zu haben. Er konnte wieder reden, denn er schrie mir schon von weitem mit gellender Stimme zu:
    „Hundesohn, jetzt werden wir abrechnen!“
    Er legte das Gewehr an und zielte auf mich. Seine Frau war hinter ihm aus dem Haus gekommen. Sie schrie vor Angst laut auf und griff nach der Flinte.
    „Was willst du tun?“ jammerte sie. „Du wirst ihn doch nicht ermorden wollen?“
    „Schweig! Packe dich fort!“ antwortete er und gab ihr einen solchen Stoß, daß sie zur Erde fiel.
    Der Lauf seines Gewehres war dadurch aus der Richtung gekommen. Auch ich legte an und zielte so genau, als es bei der jetzt notwendigen Schnelligkeit möglich war. Ich wollte ihn ja nicht verwunden, obgleich ich sehen mußte, daß es sein fester Wille war, mir eine Kugel zu geben. Mein Schuß krachte eher als der seinige. Er stieß einen Schrei aus und ließ das Gewehr fallen. Ich hatte gut gezielt, wie sich dann herausstellte. Die Kugel hatte, hart unter seiner Nase anprallend, das Flintenschloß getroffen. Ihm selbst war weiter nichts geschehen, als daß der Kolben ihm einen tüchtigen Schlag ins Gesicht versetzt hatte, und daß die Hände ihm von dem Pralle schmerzten. Er schleuderte sie fluchend hin und her und brüllte:
    „Habt ihr gesehen, daß er auf mich geschossen hat? Er ist ein Mörder. Faßt ihn, ergreift ihn, nehmt ihn gefangen!“
    Er raffte das demolierte Gewehr von der Erde auf und sprang, zum Schlag ausholend, auf mich los.
    „Zurück!“ warnte ich ihn. „Sonst schieße ich wieder!“
    „Zweimal schießen? Versuche es doch!“ höhnte er.
    Seine Flinte war nur einläufig. Er hätte allerdings keinen zweiten Schuß abgeben können, und er meinte, ich befände mich in derselben Lage. Ich drückte abermals ab, auf den Lauf seiner Flinte zielend, und wieder wurde sie ihm aus der Hand geschleudert. Ich gab gleich noch zwei weitere Schüsse ab, natürlich in die Luft. Er hatte wieder einen Fluch auf den Lippen gehabt, brachte ihn aber nicht hervor. Ganz entsetzt, stand er offenen Mundes da.
    „Bir tifenk schejtani – eine Teufelsflinte!“ stieß er endlich hervor.
    „Sihirbaz-dir; sihir-bu – er ist ein Zauberer; das ist Hexerei!“ ließen sich die anderen hören.
    Ich behielt das Gewehr im Anschlag, sagte aber kein Wort. Er hob das seinige auf, betrachtete es und sagte:
    „Ajyb-dir, bozulmusch-dir – das ist eine Schande; es ist verdorben!“
    „Bis jetzt ist nur dein Gewehr verdorben“, antwortete ich. „Ich habe mit Absicht nicht auf dich, sondern nur auf die Flinte gezielt. Tust du aber noch einen Schritt weiter, so schone ich dich nicht länger, und auch du wirst zu Schanden; denn ich schieße dann auf dich!“
    „Wage es nicht!“ sagte er in drohendem Ton.
    „Ich wage gar nichts dabei! Du bist mit dem Gewehr auf mich zugekommen; du hast auf mich gezielt. Ich befand mich im Zustand der Notwehr und hätte dich mit Recht niederschießen dürfen.“
    „Du wolltest mich erschießen und hast nur aus Zufall die Flinte getroffen. Niemand soll sagen, daß er das Flintenschloß zu treffen vermag, wenn mein Gesicht ganz am Visiere liegt!“
    „Du hast wohl noch keinen guten Schützen gesehen?“
    „Und vorher hast du mich geschlagen. Weißt du, was das zu bedeuten hat? Kein Mensch kann es mir verdenken, wenn ich dich dafür niederschieße. So eine Schande kann nur mit Blut abgewaschen werden.“
    „Wer aber wäscht dieselbe Schande von der Ehre des Mädchens, welches du hast schlagen lassen?“
    „Hat eine Magd Ehre?“ entgegnete er mit Hohngelächter. „Und was hast du dich um meine Angelegenheiten zu kümmern? Ich kann mein Gesinde züchtigen, wie es mir beliebt!“
    Da hatte er nach den Gebräuchen jener Gegend allerdings ganz recht. Ich aber durfte mich nicht durch Worte schlagen lassen. Ich hatte einmal angefangen und mußte

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