15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
hielt ihn auf demselben fest, da sie von dem einen Fuß unter dem Bauch des Pferdes weg nach dem andern ging. Die Arme waren ihm mit dem Hosenträger festgebunden. Es stellte sich heraus, daß er zwei Pistolen gehabt hatte: – die eine hatte ich ihm aus der Hand geschlagen, und die andere war ihm entfallen, als ihn Schimins Pferd niedergerissen hatte. Sie waren nur einläufig und beide abgeschossen, ohne daß, glücklicherweise, eine Kugel getroffen hatte.
Jetzt begann er zu schimpfen. Er verlangte freigelassen zu werden, und drohte mit der Obrigkeit. Der Schmied lachte ihn aus und sagte:
„Was du vorher getan hast, soll mich gar nichts angehen; aber du hast mich erschießen wollen, und so nehme ich dich mit mir, um dir zu beweisen, daß nur du allein es bist, der sich vor der Obrigkeit zu fürchten hat. Vielleicht verzeihe ich dir, wenn du dich unterwegs gut beträgst. Schimpfest du aber in dieser Weise weiter, so hast du nichts Gutes zu erwarten.“
„Ihr habt mich aufgehalten; ich habe mich nur verteidigt. Ich muß weiterreiten.“
„Ja, überall und nirgends hin! Dazu ist später auch noch Zeit. Und nun schweig! Wir können dann auch miteinander reden, wenn ich von diesem Effendi Abschied genommen habe.“
Der Bettler verhielt sich nun wirklich still. Vielleicht dachte er, aus unseren Reden noch etwas für sich erfahren zu können. Aber Schimin war klug. Er führte ihn irre, indem er zu mir sagte:
„Also, Effendi, von jetzt an wirst du den Weg ganz gut allein finden. Reite zurück und erwarte uns. Ich aber schlage den Weg nach Göldschik ein, da es jedenfalls nicht leicht sein wird, mit diesem Mann auszukommen. Du kannst den Deinigen sagen, daß wir ihn haben, damit sie nicht unnötigerweise suchen. Wir sehen uns bei mir wieder.“
Während dieser Worte war er aufgestiegen. Er ergriff den Zügel auch des anderen Pferdes und ritt querfeldein davon. Ich hörte noch einige Zeit lang die laute, scheltende Stimme des Bettlers; dann war es wieder ruhig.
Ich konnte nicht glauben, daß Saban die Worte Schimins für wahr halten werde; aber ich war ihn los. Das war für mich die Hauptsache. Zugleich hatte mir der Schmied den Abschied erspart, und Abschied nehmen ist niemals etwas Angenehmes, außer man trennt sich von Menschen, für welche man keine Sympathie besitzt.
Ich folgte nun der Richtung, welche wir bisher innegehalten hatten, und erreichte Maden in der mir von Schimin angegebenen Zeit.
Eben begann der Tag zu grauen. Ich überlegte. Ich hatte gar nicht nötig, nach Palatza zu reiten, um mich über etwaige Verwandte des verwundeten Mosklan zu erkundigen. Der Bote, welchen dieser an sie gesandt hatte, war ja zur Umkehr gezwungen worden und befand sich in der Obhut des wackeren Schmiedes. Also erfuhr man auch in Ismilan heute noch nichts von dem Tod Deselims. Warum also mein Pferd anstrengen nach zwei so schlimmen nächtlichen Ritten? Ich beschloß, nach Topoklu zu reiten und dort Halef mit den beiden anderen zu erwarten.
In Maden schliefen die Leute noch. Ich wußte, daß Topoklu davon in ungefähr nördlicher Richtung liegt, und ritt also weiter. Der Weg führte an einem Wasser entlang, von welchem ich annehmen konnte, daß es sich in der Nähe von Topoklu in die Arda ergießen werde. Ich konnte also nicht irren.
Nach einer Zeit gelangte ich in ein Dorf, in welchem es ein Gasthaus gab. Hier war man bereits wach, und ich beschloß, meinem Rappen einige Ruhe zu gönnen. Das Gasthaus lag etwas abseits des Weges, von einem tiefen Morast umgeben. Über denselben war ein dicker, knorriger Eichenstamm gelegt, rund und unbehauen. Dann kam ein tiefes, breites Loch, in welchem sich einige Schweine wälzten, und aus diesem Loch gelangte man direkt in ein breites Tor. Was hinter diesem Tor war, konnte ich wegen der hohen Lehmwand, die einen Hof zu umfassen schien, nicht sehen.
Eigentlich hätte man ein Eichkätzchen sein müssen, um über den Stamm hinüber zu kommen; doch gelang meinem Rih das Wagnis ziemlich gut. Jetzt hielt ich vor dem Loch mit den Schweinen. Rih schnellte darüber hinweg und zum Tor hinein. Ich wurde von einem vielstimmigen Schreckensruf empfangen und riß einen Mann um, welcher grad in diesem Augenblick am Eingang hatte vorübergehen wollen.
Ich befand mich auf einem ziemlich großen Hof, der eine einzige Düngerstätte zu sein schien. In einer Ecke desselben standen die Leute, welche geschrien hatten. Zwei Kerle schienen ein ziemlich altes Mädchen festzuhalten. Sie waren
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