15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
immer, Bree kommt bestimmt morgen… aber Bree ist nie gekommen.«
» Das hört sich an, als hätten Sie eine Menge Zeit mit ihm verbracht«, merkte ich an.
» Ich bin Krankenschwester auf der Intensivstation«, sagte sie. » Ich versuche jedem Patienten so viel Zeit wie möglich zu widmen. Ich war bei Ed, als er heute Morgen starb.«
» Es tut mir leid«, sagte ich mit einem Nicken. » Ich bin sicher, dass Sie ihm ein großer Trost waren.«
» Seine Tochter wäre ein größerer Trost gewesen«, entgegnete Bridgette.
» Hat Ed Ihnen sonst noch was über Bree erzählt?«, fragte Cameron.
» Er hat erwähnt, dass Brees Mittelname– Aroha– das Maori-Wort für Liebe ist«, antwortete Bridgette, und ihre Züge entspannten sich etwas. » Er sagte, dass sie vor kurzem achtzehn geworden sei. In der letzten Nacht bat er mich, ihr auszurichten, dass es ihm leidtue.«
» Was?«, fragte ich.
» Dass er sich zu Tode getrunken hat, schätze ich«, antwortete sie. » A. J. ist an Schwindsucht gestorben, sein Sohn an Leberzirrhose. Es war nicht das erste Mal, dass Ed ins North Shore kam, aber dieses Mal musste er zum ersten Mal auf der Intensivstation behandelt werden. Nach A. J.s Tod hat Ed sich auf seine letzte große Sauftour gemacht.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr. » Entschuldigen Sie, aber ich muss zurück zur Arbeit.«
» Was werden Sie mit Eds Leichnam tun?«, fragte ich.
» Wir bewahren ihn so lange auf, bis wir keinen Platz mehr in der Leichenhalle haben«, sagte Bridgette. » Wenn sich niemand seiner annimmt, wird er auf dem öffentlichen Friedhof begraben.«
» Was ist mit seinen persönlichen Sachen?«, fragte Cameron.
Bridgette hielt den wattierten Umschlag hoch. » Ich wollte sie eigentlich seiner Tochter geben, aber nun…«
» Wir übergeben ihn ihr gerne, wenn wir sie finden«, versprach Cameron.
» Ich danke Ihnen, aber persönliche Gegenstände dürfen nur dem nächsten Verwandten ausgehändigt werden.« Bridgette klemmte sich den Umschlag unter den Arm, zog eine Visitenkarte aus ihrer Jackentasche und reichte sie Cameron. » Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihr meine Karte geben würden. Es wäre gut, wenn ich schnellstens von ihr höre.«
» Wir geben Ihnen Bescheid«, sagte Cameron und schob die Karte in meine Schultertasche.
Bridgette bedankte sich noch einmal, bevor sie zu ihrem Wagen hastete und davonfuhr. Ich drehte mich um und sah Cameron an.
» Ich bin ja auch für die großen Gesten zu haben«, sagte ich. » Aber in diesem Fall muss ich Sie doch fragen: Haben Sie den Verstand verloren? Zuerst schaufeln Sie Geld in die Hände dieser großmäuligen Vettel, und dann versprechen Sie Schwester Bridgette, Edmund Pyms Tochter zu finden. Was um alles in der Welt soll das?«
» Ich helfe Ihnen nur, den Brief zuzustellen. Sie sind bereits achtzehntausend Kilometer dafür gereist«, entgegnete er.
» Ich bin achtzehntausend Kilometer gereist?«, hauchte ich.
» Bill hat mir gesagt, dass Sie nicht die Sorte Frau sind, die ihre Freunde im Stich lässt«, fuhr Cameron gelassen fort. » Daher nahm ich an, dass Sie sich nun auf die Suche nach Bree Pym machen würden, und ich kann Sie ja schließlich nicht allein in Neuseeland herumlaufen lassen. Sie sind eine Fremde in einem fremden Land, wissen Sie noch? Sie können ja nicht mal ein takahe von einem huhu unterscheiden.« Er neigte den Kopf zur Seite. » Habe ich mich geirrt? Würden Sie Ihren Freunden lieber mitteilen, dass sich ihre letzte Hoffnung, die Familie zu vereinen, zerschlagen hat, weil Sie nicht einmal versucht haben, ihre Urenkelin ausfindig zu machen?«
» Nein«, erwiderte ich verunsichert. » Aber wie sollen wir ein achtzehnjähriges Mädchen finden, das ihr Heim vor sechs Wochen verlassen hat?«
» Indem wir zuerst mal ihre Wohnung durchsuchen«, sagte Cameron.
Während er die Vordertür aufschloss, ging mir durch den Kopf, dass ich einiges von Cameron lernen konnte, wenn es darum ging, diktatorisch, störrisch und naseweis zu sein.
8
»Wir können die Wohnung nicht durchsuchen!«, protestierte ich. »Man wird uns wegen Einbruchs verhaften.«
» Nur wenn jemand die Polizei ruft«, sagte Cameron. » Ich werde sie nicht holen, und ich glaube, das Schweigen der Vermieterin habe ich erkauft.« Er sah mich fragend an. » Wollen Sie uns einbuchten lassen?«
» Sehr witzig«, entgegnete ich. » Aber da wir gerade dabei sind… warum nicht die Polizei einschalten? Sie dürfte Aubrey erheblich schneller finden als wir.«
»
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