15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
Augen wieder glasig werden.«
Ich lächelte reumütig, fragte ihn aber weiter aus. » Von welchem Job halte ich Sie denn gerade ab?«
» Ich trainiere Pferde«, sagte Cameron und bestätigte meinen Verdacht, dass er viel an der frischen Luft arbeitete. » Und Sie halten mich von gar nichts ab. Meine Frau war der Ansicht, dass ich einen Urlaub dringend nötig hätte.«
» Gut, dass ich meine Söhne nicht mitgenommen habe«, meinte ich. » Sie hätten Sie sofort wieder zur Arbeit geschickt. Sie lieben Pferde.«
» Ich weiß«, sagte Cameron. » Bill hat mir ein paar Fotos gemailt, auf denen sie stolz auf ihren Ponys sitzen.«
» Er ist ein stolzer Papa«, bestätigte ich. Ich betrachtete die Keksdose und schüttelte den Kopf. » Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Cameron. Nicht jeder Mann würde seine Frau, seine Kinder und seinen Job im Stich lassen, nur um einem alten Freund einen Gefallen zu tun.«
» Jede Frau auch nicht. Sieht so aus, als hätten wir etwas gemeinsam.« Der Minivan fuhr endlich los, und er startete den Motor. » Alles klar?«
» Klar, los geht’s«, sagte ich.
Zwei Minuten später fuhren wir die Hauptstraße eines geschäftigen Einkaufsviertels entlang. Meistens sah man kleine, von Einzelhändlern betriebene Läden, wenig Filialen von großen Ketten. Menschen jeden Alters und jeder Rasse bevölkerten die Bürgersteige. Es bot sich mir eine solche bunte Vielfalt, dass ich es leise bedauerte, als die Läden immer weniger wurden und wir ein Wohnviertel erreichten.
Wir bogen links in eine kleine Straße ab, wo beeindruckende Anwesen Seite an Seite mit bescheidenen, aber gepflegten Häusern standen. Am Ende der Straße erblickte man einen Hauch Ozean, eingerahmt von riesigen Bäumen, die ich noch nie gesehen hatte.
» Pohutuwaka-Bäume«, sagte Cameron, der meinem Blick gefolgt war.
» Pohu-was?«, fragte ich.
» Pohutuwakas«, wiederholte er. » Um die Weihnachtszeit tragen sie unzählige rote Blüten. Sieht sehr malerisch aus.«
» Pohutuwaka«, sagte ich langsam und speicherte das Wort, um Tante Dimity zu beeindrucken, wenn sich die Gelegenheit bot.
Cameron fuhr langsamer und parkte den Wagen schließlich vor einem bescheidenen, ziemlich ungepflegten Haus. Das obere Stockwerk war mit Wellblech verkleidet, das untere gelb gestrichen und mit braunen Flecken gesprenkelt. Der schmale Balkon, der sich über die Fassade erstreckte, bot einigen dürren Pflanzen Platz, und der fleckige Rasen vor dem Haus war mit Zigarettenkippen übersät und wurde von einem kaputten Picknicktisch geschmückt. Zwei der Fenster im oberen Stockwerk waren geöffnet, die unteren Fenster waren jedoch fest verschlossen und mit Gardinen verhangen.
» Da wären wir«, sagte Cameron.
Wisinda, dachte ich und stieg aus dem Wagen.
7
Cameron begleitete mich zur Vordertür des gelben Hauses und blieb ein paar Schritte hinter mir stehen. Ich drückte auf die Klingel. Eine Stimme drang von oben zu uns herab, wir sahen uns fragend an, traten auf den Rasen und schauten hinauf zum Balkon.
Durch eine Wolke aus Zigarettenqualm blickte eine Frau herunter. Sie trug ein grellpinkes T-Shirt und Shorts aus abgeschnittenen Jeans. Das strähnige schwarze Haar hatte sie zu einem solch festen Pferdeschwanz gebunden, dass es ihr wahrscheinlich unmöglich war, die gezupften Augenbrauen nach oben zu ziehen. Obwohl sie sich zurechtmachte wie ein Teenager, offenbarten graue Strähnen im Haar und Falten wie Flecken auf ihrem groben Gesicht ihr wahres Alter. Ihre Stimme war laut und rau, und wahrscheinlich konnte man sie noch im Spencer hören.
» Was wollen Sie?«, bellte sie.
» Guten Morgen«, rief ich zu ihr hinauf. » Ich suche Mr Aubrey Jeremiah Pym junior. Ich glaube, dass er hier wohnt.«
» Tut er nicht mehr«, sagte die Frau. » A. J. ist vor zwei Monaten gestorben.«
» Er ist… tot?«, sagte ich vom Donner gerührt.
» Toter geht’s gar nicht.« Die Frau wandte sich einem Mann zu, der gerade aus dem Nachbarhaus kam, und tauschte ein paar Nettigkeiten mit ihm aus. Das Lächeln, das dabei auf ihrem Gesicht lag, verschwand sofort, als sie sich wieder mir zuwandte. » Wer sind Sie eigentlich?«
» Ich… ich bin eine Freundin der Familie«, stammelte ich. Die Nachricht von Aubreys Tod hatte mich tief getroffen.
» Eine Freundin der Familie?« Sie zog an ihrer Zigarette und stieß eine Rauchwolke aus. » Wusste nicht, dass sie Freunde hatten.«
» Sie?«, sagte Cameron aufmerksam. » Leben hier noch andere
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