15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
eigenhändig gesteuerten Privathubschrauber.
Emma und Derek Harris hatten sich größte Mühe gegeben, Anscombe Manor für den Empfang herauszuputzen. Sie hatten die große Halle von oben bis unten gereinigt, hatten eine Catering-Firma engagiert, Musiker bestellt, das Grundstück von professionellen Gärtnern verschönern lassen und so viel Champagner eingekauft, dass man ein Schlachtschiff darin hätte schwimmen lassen können. Am Morgen der Hochzeit würde Derek noch einen Parkplatz für die Gäste absperren, Emma würde die Pferde auf die Weiden bringen, die am weitesten vom Haupthaus entfernt lagen, und sie würden eine brandneue Fahne auf dem Flaggenmast der Familie hissen.
Ich konnte es kaum abwarten, sie im Wind flattern zu sehen.
Die Kostüme lagen bereit, die Bühne war aufgebaut, und die Besetzung versammelte sich. In weniger als einer Woche, sagte ich zu mir, derweil ich verträumt auf die Herzen blickte, die ich auf den Kalender in der Küche gemalt hatte, würde Kit Smith endlich– endlich!– Nell Harris heiraten.
Ich seufzte verzückt, wischte mir die Tränen der Rührung ab und schaltete den Ofen aus. Ich wollte gerade meine Männer rufen, damit sie sich vor dem Essen die Hände wuschen, als das Telefon klingelte. Eilig rieb ich mir die Hände an der Schürze ab und griff zum Telefon. Sicher wartete eine weitere delikate Neuigkeit auf mich, die ich sofort weitergeben konnte.
» Lori?«, meldete sich Emma.
» Emma!«, rief ich erfreut. » Wie läuft es? Seid ihr mit den Rhododendren fertig? Ist der Rasen gemäht? Ich verfolge mit Adleraugen den Wetterbericht für Samstag, und es sieht so aus, als würde ein Schauer aus Rosenblüten auf uns herabregnen…«
» Lori«, unterbrach Emma mich, und es schien mir, als klinge sie ein wenig angespannt.
» Du Arme«, bedauerte ich sie. » Du bist wahrscheinlich völlig erschöpft. Wenn du Hilfe brauchst, ganz egal bei was, kann ich jederzeit rüberkommen. Ich bin schneller da, als eines eurer Ponys auch nur mit dem Huf scharren kann. Sag nur Bescheid…«
» Lori!«, rief Emma. » Kannst du mal den Mund halten?«
Verblüfft starrte ich das Telefon an. Ich kannte Emma als gelassene, ruhige Person. Noch nie war sie mir gegenüber laut geworden, und noch nie hatte sie mir, oder irgendwem sonst, den Mund verboten. Offenbar tat der Stress der Hochzeitsvorbereitungen seine Wirkung.
» Klar«, sagte ich eingeschüchtert. » Was gibt’s?«
» Ich weiß nicht, wie ich es dir schonend beibringen könnte, also sag ich es einfach geradeheraus«, antwortete Emma gepresst. » Die Hochzeit ist abgesagt.«
Einen Augenblick lang war ich sprachlos. Dann kicherte ich: » Guter Witz. Fast hättest du mich drangekriegt, aber…«
» Es ist kein Witz«, entgegnete sie schwer atmend. » Die Hochzeit ist abgesagt. Nell und Kit haben sie bis auf weiteres verschoben.«
» Sie haben was?« Ich beugte mich über das Telefon, konnte kaum glauben, was ich hörte. » Ist das dein Ernst? Warum um alles in der Welt sollten sie die Hochzeit absagen?«
» Es ist wegen Ruth und Louise Pym.« Emma holte tief Luft. » Sie liegen im Sterben.«
Eine Wolke schien den Himmel zu verdunkeln.
2
Ich fühlte mich, als hätte mir jemand einen heftigen Schlag vor die Brust versetzt. Ich schwankte durch den Raum und setzte mich mit wackeligen Knien auf einen Stuhl am Küchentisch. Emmas Nachricht hätte mich nicht überraschen sollen, aber sie erschütterte mich im Innersten.
Ruth und Louise Pym waren die beiden vollkommen gleich aussehenden Zwillingstöchter eines Mannes, der viele Jahre lang Pfarrer in der Kirchengemeinde von St. George’s gewesen war. Die Schwestern hatten nie geheiratet und ihr ganzes emsiges Leben gemeinsam in dem strohgedeckten Ziegelhaus ihres Vaters am Rande des Dorfes verbracht. Niemand kannte ihr Alter genau, aber sie waren bei weitem die ältesten Einwohner des Dorfes, und die meisten schätzten sie auf deutlich über hundert. Auch wenn die beiden schon immer so zerbrechlich wie Spitze gewirkt hatten, schien ihre Energie doch nie zu versiegen und ihre Arbeitsamkeit beeindruckte noch immer jedermann. Sie schafften mehr an einem Tag, als andere Frauen, die halb so alt waren wie sie, in einer Woche leisteten.
Als Bill und ich in das Cottage einzogen, zählten die Schwestern Pym zu den Ersten, die uns willkommen hießen. Sie waren bei unserer Hochzeit dabei, bestickten die Taufkleidchen unserer Söhne, luden uns unzählige Male zum Tee ein und teilten ihr immenses
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