15 Tante Dimity und die Geister am Ende der Welt (Aunt Dimity Down Under)
bisschen Geld, das Ed beisteuerte, wenn ihm nach Arbeiten zumute war. Wir hätten in einem anderen Stadtteil eine billigere Wohnung finden können, aber Aubrey bestand darauf, dass ich eine gute Schule besuche, und deshalb blieben wir in Takapuna. Einen Tag nach seinem Begräbnis bin ich weg von dort.«
» Um dich auf die Suche nach deiner Mutter zu machen«, sagte ich.
» Ich dachte, sie würde…« Brees Lippen zitterten, aber sie fing sich rasch. » Es hatte keinen Sinn. Jedes Mal, wenn Amanda mich ansah, musste sie an Ed denken. Ich konnte es in ihren Augen sehen.«
» Sie nannte dich ihren taonga«, murmelte ich. » Ihren Schatz.«
» Manche Schätze sind verflucht«, sagte sie barsch. » Deshalb bin ich weitergezogen.«
» Deine Mutter hat mir erzählt, dass Ed die englischen Tanten verflucht hat«, sagte ich.
» Das hat er. Er schob ihnen die Schuld für sein verpfuschtes Leben zu. Wenn die englischen Tanten uns nicht ausgeraubt hätten, wäre er reich, berühmt und einflussreich geworden. Er behielt die Bilder in den silbernen Rahmen als Beweis für die verlorenen Reichtümer seiner Familie. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, bis ich Großvaters Nachruf las.«
» Wie hat Ed von den englischen Tanten erfahren?«, fragte ich.
» Aubrey muss sie irgendwann erwähnt haben«, vermutete Bree. » Aber mir gegenüber hat er nie von ihnen gesprochen.« Nachdenklich schaute sie vor sich hin. » Vielleicht hat er gedacht, ich würde ihnen etwas übel nehmen.«
» Und, tust du das?«, fragte ich.
» Nein.« Bree rang sich ein freudloses Lächeln ab. » Es war nicht das Geld, das aus meinem Großvater einen guten Menschen gemacht hatte, ebenso wenig wie Ed aus Geldmangel zum Versager geworden war. Wenn Ed eine Million Dollar geerbt hätte, hätte er auch die mit Saufen und Wetten verschleudert. Ich bin froh, dass das Geld an zwei Frauen ging, die Blumen mögen.«
» Ich glaube, sie würden auch dich mögen«, versicherte ich ihr.
» Das bezweifle ich«, entgegnete Bree und schlangdie Arme noch fester um die Knie. » Exsträflinge haben Schwierigkeiten, sich an das Leben außerhalb der Gefängnismauern zu gewöhnen. Ich habe meine Lehrer enttäuscht, weil ich nicht auf die Uni gegangen bin. Seit ich Takapuna verlassen habe, habe ich jeden Job nach kurzer Zeit wieder hingeschmissen. Ich habe Roger angegriffen, einfach so, und vielleicht passiert mir das auch mit Holly. Ich weiß nicht, wie man sich benimmt, wenn man es mit normalen Menschen zu tun hat.« Sie drückte die Hände gegen die Augen. » Ich habe die Hoffnung, etwas zu lernen, aufgegeben.«
» Das glaube ich nicht.«
Sie ließ die Hände sinken und sah mich zweifelnd an.
» Es ist dir vielleicht gar nicht bewusst«, sagte ich, » aber du hast dich selbst mit Hoffnung umgeben.« Ich deutete auf ihre Tasche. » Tolkien hat Hoffnungsstränge durch all seine Geschichten gewoben.« Mit einem Blick auf ihren Anhänger ergänzte ich: » Du trägst ein koru, ein Symbol des neuen Lebens und eines neuen Anfangs.« Ich sah zum Denkmal hinauf. » Und du bist nicht hierhergekommen, um über den Tod nachzugrübeln. Du sitzt mit dem Rücken zum Felsblock, mit dem Blick auf die Bäume, die der Frühling in die Farben des Regenbogens getaucht hat.« Ich sah sie eindringlich an. » Ich leugne nicht, dass du durch die Hölle gegangen bist, Bree, aber es liegt nicht in deiner Natur zu verzweifeln. Dein Lebensmut ist zu stark.«
» Und wohin hat mich mein Lebensmut gebracht?«, schnaubte sie. » Kein Auto, kein Zuhause, keine Freunde und keine Zukunft. Ich weiß nicht mehr weiter.«
» Dürfte ich einen Vorschlag machen?«, fragte ich mit einem zaghaften Lächeln. » Du magst ja unempfindlich gegen Kälte sein, aber mein Po wird langsam taub und ich verhungere. Lass uns Cameron abholen und etwas Warmes essen, vorzugsweise vor einem prasselnden Kaminfeuer. Außerdem wird es dunkel, und wenn du keine Taschenlampe dabeihast, kannst du den Brief nicht lesen.«
» Welchen Brief?«
» Ich habe dir doch von dem Brief deiner Urgroßtanten erzählt, oder nicht?« Ich schlug mir gegen die Stirn. » Mein Verstand muss eingefroren sein. Gehen wir ins Warme, bevor ich das Bewusstsein verliere. Dann kannst du den Brief lesen.«
Bree schwieg eine Weile, zusammengekauert wie ein ängstliches Kind. Sie schloss die Augen, stieß einen erschöpften Seufzer aus, streckte sich wie ein sich öffnender Farnwedel, erhob sich und ging mit mir durch die blühenden Bäume zu
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